Robert Nef (robertnef@bluewin.ch; www.robert-nef.ch)
Nationalismus und Sozialismus sind nach dem Sturz des Feudalismus durch die Französische Revolution im 19. Jahrhundert entstanden. Die beiden Bewegungen werden in der Ideengeschichte als Gegensätze dargestellt, wobei man den Nationalismus als «Rechts» und den Sozialismus als «Links» bezeichnet hat. Beide Ideologien befürworten den Staat und «mehr Staat», die von Marx inspirierten Sozialisten allerdings nur als Übergangslösung zu einer prophezeiten klassenlosen Gesellschaft.
Für die Nationalisten ist der Staat nicht nur der Hort des Rechts, sondern auch die gemeinsame Basis der Identifikation, wobei sich meist zwei Flügel bildeten, ein national-liberaler, basierend auf National-Ökonomie und ein national-sozialistischer, bei dem der Staat eine entscheidende Zuteilungs- und Umverteilungsfunktion hat. Auch beim sozialen Nationalismus gilt das Primat der Politik. Die Wirtschaft soll aus dieser Sicht als Dienerin am Volk in Konkurrenz mit anderen Volkswirtschaften vom Staat dominiert und reguliert werden und sie wird dadurch -angeblich – gleichzeitig national und sozial.
Die National-Sozialisten, die sich auch Faschisten nannten, hassten und verachteten die Liberalen, den weltoffenen Markt und den Kapitalismus, und es macht wenig Sinn, wenn doktrinäre Sozialisten heute in ihrem Links-Rechts-Schema, liberale Staatsskeptiker und national-konservative Staatsvergötterer in denselben Topf werfen und mit der Bezeichnung «Rechts» abstempeln und sich erst noch historisch als die einzige Bewegung im Widerstand gegen den nationalen Sozialismus von Hitler und Mussolini in Szene setzen.
Friedrich August von Hayek hat in seiner nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Schrift «Der Weg zur Knechtschaft» in Anknüpfung an Ludwig von Mises auf die innere kollektivistische Verwandtschaft des International-Sozialismus mit dem National-Sozialismus hingewiesen. Das hat ihm die Verachtung all jener beschert, die nach dem Schema von Carl Schnitt, die linken Sozialisten als «gut» und die rechten Nationalisten als «böse» charakterisieren.
Diese fatale Gegenüberstellung übersieht, dass es auch den Gegensatz zwischen Kollektivisten, die «mehr Staat» und Individualisten, die «weniger Staat» fordern, gibt, und parallel dazu (und auch überlappend) die Anarchisten, die zivilgesellschaftlichen Kommunitaristen und die Kommunalisten, die eine Gesellschaft anstreben, die auf freiwilligem Austausch und gegenseitigen Lernprozessen und nicht auf Zwang beruht. Letztere wollen auf möglichst lokaler Ebene unterschiedliche Experimente freien Zusammenklebens wagen und lassen sich im herkömmlichen Parteienschema nicht einordnen. Alle diese Gruppierungen haben es weltweit schwer, sich in einer politischen Welt, in der über Mehrheiten oder Mehrheitskoalitionen um die Macht im Zentralstaat gerungen wird, wirksam zu organisieren.
Als strikt liberaler Staatskeptiker lehne ich das Links-Rechts-Schema ab. Ich sehe auf der <Gegenseite der Freiheitsfreunde nicht primär den Sozialismus in seinen sehr unterschiedlichen Ausprägungen, sondern jenen Etatismus und Zentralismus der in der Politik weltweit – von fast allen Parteien – mit unterschiedlichen Motiven – vorangetrieben wird.
Meine These, die an Hayek anknüpft aber seine Kollektivismus- Kritik noch radikalisiert, lautet wie folgt: Sowohl der Parteisozialismus als auch der bürgerliche Anti-Sozialismus fordern trotz unterschiedlicher Motive letztlich «mehr Staat» und «mehr Zentralismus» und sie bewirken entweder einen «rechten Korporatismus» mit Dominanz der organisierten Wirtschaft als «Grosskartell» oder einen «linken Korporatismus» mit Dominanz der politisch organisierten Gruppeninteressen, der Staatsrentner und Staatsfunktionäre.
Sozial – Nationalismus versus National-Sozialismus (im ursprünglichen Wortsinn), sind die Degenerationsformen ihrer Ursprungsideologie. Beide sind verknüpft mit zunehmender nicht mehr bremsbarer Staats- und Fiskalgewalt, mit oder ohne demokratisch legitimierte Führer. Wenn diese scheitern, werden sie in Wahlen durch ein «Pendant» der Gegenseite ersetzt, die jeweils den bestehenden Apparat noch mehr ausbaut. Es gibt also ein informelles politisches Konglomerat von linken und rechten Etatisten, die ein ideologisches Scheingefecht führen, das zum Staats- und Verwaltungs- – und zu ergänzen wäre – Fiskalwachstum führt und den «paritätisch zusammengesetzten Staatsapparat» als «lachenden und profitierenden Dritten» kontinuierlich aufbläht.
Die Sozial-Nationalisten sind für den umverteilenden Obrigkeitsstaat, der die ökonomische Basis der gemeinsamen Abhängigkeit bildet, die man dann «nationale Solidarität» nennt. Die Sozialisten starten mit der Utopie der «Internationalen Solidarität», resignieren aber bei allen historisch gestarteten Experimenten bald einmal vor der Tatsache, dass Menschen zwar an das Teilen gewöhnt werden können, aber Solidarität stets zur Gruppensolidarität mutiert und niemals zur Bereitschaft aller, alles mit allen zu teilen.
Sozialisten starten mit der Solidarität gegen «Klassenfeinde», aber diese wandelt sich schnell einmal zu einem auf die nationalen und gleichdenkenden und fühlenden Genossen beschränkten Sozialismus, zu einem nationalen Wir-Gefühl einer Gruppe, die sich als besonders qualifiziert und auserwählt bezeichnet. Penetrant deutlich wurde dies im russischen und im chinesischen Staats-Sozialismus, der mit seinem kollektiven «Wir-Gefühl» das schnell einmal in einen krassen Imperialismus kippt und aggressiv gegen innere und äussere Feinde auftritt.
Ich habe als gemeinschaftsbezogen denkender und fühlender strikt Liberaler keine liberal-marktwirtschaftliche «Gegenideologie», denn ich halte den Markt für ein spontanes Geschehen und nicht für ein organisiertes bzw. organisierbares Konzept. Märkte gab und gibt es immer, entweder weiss, grau oder schwarz. Entscheidend ist, dass man dem «Sturzbach der Freiheit» freie Bahn lässt. Der wichtigste Markt ist der weltweit offene Ideen- und Meinungsaustausch.
Mein Gegenkonzept ist nicht eine international «organisierte» und mit den Staatsapparaten und – noch schlimmer – mit Staatenverbünden kooperierende Politik. Dass das sogenannte internationale Recht die Hauptquelle der Normenflut und des Verwaltungswachstums ist, habe ich immer geahnt und neuere empirische Untersuchungen bestätigen dies heute.
Aus freiheitlicher Sicht treiben nicht Staaten miteinander Handel, sondern Unternehmer und Firmen, und wenn sich diese intern bürokratisch aufrüsten um mit der wachsenden staatlichen und staatsübergreifenden Bürokratie Schritt halten, würde dies in einer Zivilgesellschaft automatisch unwirtschaftlich und unwirksam, und müsste nicht reguliert werden, sondern würde im Rahmen einer echt ökonomischen und nicht korporatistisch verfälschten Konkurrenz gesundschrumpfen. Wer sich wirtschaftsintern einen zu grossen und zu teuren Verwaltungsapparat leistet, geht bankrott, wenn er nicht «staatlich gerettet» wird.
Leider gibt es mit Konkursverfahren gegen faktisch bankrotte Staaten, in neuerer Zeit noch wenig Erfahrungen. Ein Staatskonkurs sollte als «Ende mit Schrecken» dem «Schrecken ohne Ende» vorgezogen werden. «Bottom up»-Sanierungen und Privatisierungen im grossen Stil münden erfahrungsgemäss nicht in endlose kollektive Notlagen. Die Tatsache, dass darüber auch unter Fachleuten kaum debattiert wird, führt zur Verdrängung dieser Option. Sie verleiht maroden Staaten ihrerseits eine überdimensionierte Kreditwürdigkeit. Internationale Zusammenschlüsse haben nicht zuletzt auch die Funktion, hoch verschuldete Staaten und ihre oft politisch mächtigen Gläubiger vor dem (aus ökonomischer Sicht im wahrsten Sinn des Wortes notwendigen) Staatsbankrott zu schützen.
Heute geht es in der organisierten Wirtschaft zunehmend um einen Kampf um die Gunst der Wirtschafts- und Finanzministerien und der wild wachsenden steuerfinanzierten internationaler Organisationen, welche angeblich die Welt verbessern, indem sie ihre gut besoldeten Bürokratien aufstocken und jene Vorschriften kreieren, welche zum Anreiz für deren Umgehung werden.
Aus ökonomischer Sicht sollte es bei Produktion und Vertrieb um die Gunst der Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre gehen, und wenn diese öffentliche Interessen verletzen, muss, bzw. müsste ein offener Medienmarkt für Kritik sorgen. Beispiel: Die Medienkampagne «Nestlé tötet Babies» hat bei Nestlé und der ganzen Branche mehr zur Umstellung der Kindernahrungsmittelproduktion geführt als alle nationale und internationale Politik und Bürokratie.
Ich halte viel von mutiger Anti-mainstream Publizistik, die auf die tatsächlichen Knappheiten auf unserem Planeten hinweist, und wenig von zunehmender «rot-grüner» Reglementierungswut hält- In der Regel führt diese nur zu kontraproduktiven Umgehungstaktiken und zu noch mehr Korruption. Der wichtigste Markt ist weltweit der freie Meinungsaustausch, der leider auch zunehmend durch Vorschriften eingeschränkt und Subventionen verfälscht wird.