Inflationseinfluss der Banken

Dietrich Eckardt (diteck@t-online.de; www.dietrich-eckardt.com

Die Banken, so heißt es zuweilen, hätten einen Anteil an der Inflation. Sie wirkten damit an der Demontage des Geldsystems mit. Lässt sich dieses Urteil begründen?
Geld kommt nur durch das Zusammenkommen von Kreditoren und Debitoren zustande. Insofern können beide Parteien ein Quell für eventuelle Misshelligkeiten auf dem Finanzsektor sein, z. B. auch für Inflationen. Nun sind auch Banken Kreditoren, sogar die bedeutendsten. So besteht bei ihnen zumindest die Möglichkeit, dass auch sie ursächlich sind für eine Inflation. Wir wollen der Sache nachgehen.
Das weitaus meiste Geld, was privat gehortet, also dem Markt entzogen wird, sammelt sich bei Banken. Unter dem „Kopfkissen“ oder im „Sparstrumpf“ befindet sich relativ wenig davon. Es wird zwar zum Großteil von den Banken auf dem Kreditweg an Marktteilnehmer aller Art verliehen, also nicht gehortet, sondern wieder in den Markt geleitet. Im Idealfall wird bei diesem Verleih voll gedecktes Geld verwendet.
Das Bankensystem hortet zwar einerseits Aktiva, die sofort abrufbar sein müssen. Dafür muss es Reserven vorhalten. Es kann also nicht alles bei ihm gehortete Geld weggeben. Denn vieles davon gehört den Bankkunden, den sogenannten „Nichtbanken“. Die brauchen es – vielleicht sofort oder zu einem nahen Zeitpunkt. Andererseits muss das System in der Lage sein, auf Anforderung längerfristige Darlehen zu vergeben. Das kann es nur mit langfristig angelegten Kundengeldern und mit aktuell selbst erzeugtem Geld. Das Geld kommt irgendwann – meistens ratenweise – wieder ins System zurück (Manchmal auch nicht, z. B. bei den „ewigen Schuldnern“).
Der bis hierhin geschilderte Vorgang erscheint zunächst inflationsneutral. Bilanztechnisch ist alles überschaubar und niemandem ist ein Vorwurf zu machen. Schauen wir aber weiter.
Oft findet der Verleih von Geld im Gegenzug zur Emission von Anleihen und Wertschriften statt, also im Gegenzug zu nichtmonetären Schuldtiteln.
Die Schuldtitel werden den Schuldnern zum Kurs 1 zu 1 mit Geld abgekauft und als Aktiva in die Bilanzen gestellt. So gelangen die Titel vom Markt weg und in den „Finanztunnel“ hinein. Mit ihnen wird dort weitergearbeitet. Dabei fungiert das Bankensystem wie eine große Wechselstube, in der Finanzmittel unterschiedlicher Werthaltigkeit gekauft, verkauft und auf diese Weise einen Bereich abseits des Sachgütermarkts (in einem „Finanztunnel“) durchlaufen.
Nun können nichtmonetäre Schuldtitel nicht oder nur ungenügend durch Leistungspotentiale der Emittenten gedeckt sein. Die Emittenten solcher Tittel (Debitoren) können deren Wert nominal zu hoch einschätzen, ob aus Absicht oder aus Dummheit, und mit dieser Überbewertung verkaufen. Die Käufer der Titel (Akzeptanten, Kreditoren) können dem zustimmen, auch wieder aus Absicht oder aus Dummheit. Stimmen sie der Werteinschätzung der Emittenten zu, dann kaufen sie die wertmäßig eventuell als zu hoch angesetzten Schuldtitel quasi unbesehen.
Die anfängliche Unterdeckung der Schuldtitel vererbt sich gewissermaßen beim Durchlauf durch den „Tunnel“ auf das Geld, was am Tunnelende auf der Basis dieser Titel (und zwar auch hier wieder zum Nominalwert 1 zu 1!), geschaffen wird. Die Unterdeckung auf der Strecke Finanzmittel am Markt (Geld) → Finanzmittel im „Tunnel“ (nichtmonetärer Schuldtitel) → Finanzmittel wieder am Markt (Geld) verschwindet, wenn sie an irgendeiner Stelle bereinigt wird. Das kann durch die Bank, die die Titel hält, selbst geschehen (Wertberichtigung in der Bilanz) oder durch einen Schuldtitelkäufer. Der bietet der Bank einen im Vergleich zum Nominalwert des Titels geringeren Geldbetrag. Beim Käufer findet dabei lediglich ein Aktiventausch statt. Bei der Bank hingegen ein Aktivenschwund. Dadurch gehen der Bank Ressourcen verloren.
Die Bank muss also im Nachgang für eine frühere fehlerhafte Werteinschätzung büßen. Damit kann aber zumindest die Unterdeckung der Schuldtitel beseitigt werden. Die dadurch kleiner werdende Gesamtgeldmenge ist dann wieder der Sachgutmenge wertmäßig adäquat, die sich auf dem Markt befindet. Denn die war ja wegen fehlenden Gütererzeugungspotentials (s. o.) klein geblieben.
Geschieht hingegen beides nicht, weder die Wertberichtigung bei den Schuldtiteln in der Bank, noch eine Wertminderung beim Schuldtitelverkauf, dann schleicht sich – obwohl bilanziell alles korrekt abläuft – die Unterdeckung unbemerkt in die Gesamtgeldmenge ein. – Das Problem „Unterdeckung“ kann also eigentlich nur durch die oben beschriebenen Methoden sachgerecht gelöst werden: Vor der Remonetisierung muss ein Wertabschlag stattfinden. Geschieht das nicht, vollzieht sich die soeben beschriebene „Vererbung“. Weil diese bilanzmäßig unauffällig ist, bleibt die Gefahr zunächst unbemerkt.
Solange solche Titel nur in den Depots des Bankensystems liegen, entsteht kein Schaden für den Markt. Sobald sie das Depot aber verlassen und wieder 1 zu 1 in Geld verwandelt werden, tritt das Deckungsproblem unbarmherzig auf den Plan. Es ist dann vielleicht nur wieder so viel Geld vorhanden wie vor dem Schuldtitelkauf. Aber das als wertgleich unterstellte Leistungspotential der Titel-Emittenten konnte sich zwischenzeitlich nicht realisieren. Es fehlt jetzt Sachgut. Somit ist mehr Wert an Geld da (bzw. bei Bedarf abrufbar) als an Sachgüterwert.
Das Leistungspotential als Deckung der Schuldtitel fehlt aber nicht erst, wenn die Titel als Geld auf den Markt zurückfließen. Es war von vorneherein nicht da, d. h. zum Zeitpunkt der Emission (also am Eingang des „Tunnels“). Das dort schon injizierte Gift pflanzt sich fort (s. o.). Es ereignet sich – falls alles bilanztechnisch korrekt abläuft – zwar nominell kein Wertverlust. Und alles an der Oberfläche sieht gut aus. Aber genau hierin besteht die Gefahr für die Wirtschaft. Denn die Unterdeckung der Finanzmittel gelangt jetzt unbemerkt über die verschiedenen Durchlaufstationen des „Tunnels“ bis hin zur Endstation (dem Tunnelausgang). Und die Endstation ist der Handel am Markt. Am Markt gibt es jetzt die Gütermenge nicht, die eigentlich aufgrund der real existierenden Geldmenge dort vorhanden sein müsste. Es gibt sie nicht, weil es die bei der Bonitätsprüfung als vorhanden unterstellten Gütererzeugungs- sprich: Leistungspotentiale nicht gab. Die hätten eigentlich die Güter beibringen sollen.
Das für die Deckung der Schuldtitel erforderliche Leistungspotential kann bei den Aufkäufern der Titel übersehen werden. Das hat zunächst keine negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Und zwar deshalb nicht, weil auf der Wegstrecke Geld → Schuldtitel → Geld nominal 1 zu 1 gekauft und immer 1 zu 1 weiterverkauft wird. Wenn diese Titel aber am Ende der Strecke die Basis für eine 1 zu 1 Geldschöpfung sind, was ja normalerweise der Fall ist, dann können die befürchteten negativen Folgen auf dem Markt nicht ausbleiben. Davon bemerken die Marktteilnehmer zunächst nichts. Solange die Geldschöpfung nur als Potential vorhanden ist, das Geld also „auf Halde liegt“, besteht zwar schon Grund zur Unruhe. Aber von Preissteigerung am Markt ist noch nichts zu bemerken. Es besteht sozusagen nur eine Preissteigerungs-Schwangerschaft, ein „Pulverfass“, wie Hans Werner Sinn sich ausdrückt (2021). Die Geburt/Explosion erfolgt, wenn der Wille zum Kauf erwacht (aus drängender Not, Angst oder purer Lust heraus), und dies bei vielen Leuten.
Das unerfreuliche Faktum bei einer Inflation ist: Wir haben Geld und wollen kaufen, aber die Waren fehlen. Sie fehlen, weil sich ein vermeintliches Gütererzeugungspotential nicht entfaltet hat. Beim Kauf von Schuldtiteln ist nicht beachtet worden, dass dieses Potential nicht oder zumindest nicht vollständig vorhanden war. Auf ein solches Versäumnis antwortet der Markt mit Inflation, und zwar immer dann besonders, wenn viele Leute viele Güter kaufen wollen. Wir sehen jetzt: die Inflation entsteht zwar erst am Ende des Finanzmittelkreislaufs. Ihre Ursache muss aber am Anfang gesucht werden: beim Emissions- und Ankaufprozess von nichtmonetären Schuldtiteln. Um eine fehlende Deckung bei einem nichtmonetären Schuldtitel festzustellen, dafür sollten die Ankäufer wache Augen haben.
Wer steht aber an der Ladentheke, wenn solche Titel verkauft werden? Es sind die Banken und ihre Kombattanten (vielleicht noch ein paar Versicherungsgesellschaften, Pensionskassen oder sonstige Großinvestoren). Die Banken schachern bei der Versteigerung solcher Schuldtitel eifrig mit. Und bei all ihrer Schacherei vergessen sie manchmal ihre heiligste Pflicht: die Bonitätsprüfung bei den Schuldnern. Auch wenn die Banken die Bonitätsprüfung an (vielleicht dubiose) sogenannte Rating-Agenturen delegieren, die Verantwortung für den Schuldtitelkauf tragen sie allein.
Aus den Erörterungen des Beitrags „Inflation und Gelddeckung“ und dem soeben Gesagten ist zu lernen, wie ungemein wichtig die Bonität für das Thema „Inflation“ ist und wie unwichtig dagegen die Geldmenge. Versagen geldgebende Kreditoren bei der Bonitätsprüfung, und das sind in der Regel die Banker, dann verunmöglichen sie die für eine gesunde Finanzwirtschaft unerlässliche Geldvernichtung (Tilgung der Schulden). Sie schaffen damit einen ungedeckten Anteil an der Gesamtgeldmenge. – Ja, man kann sagen, die neuerlich zu beobachtenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten gehen wesentlich auf die Nichtbeachtung der Bonitätskriterien bei den Banken zurück, vielleicht außerdem noch – wie bei dem US-amerikanischen Community Reinvestment Act – auf den Irrsinn staatlicher Gesetzgebung.
In sachgerecht organisierten Finanzwirtschaften gilt ein Grundsatz: Alle Gelder sollten durch Leistungspotentiale (= Gütererlieferpotentiale = Tilgungspotentiale) vollständig gedeckt sein. Die Volldeckung ist unabdingbar, sollte keine Demontage des Geldwesens stattfinden. Den Volldeckungsgrundsatz müssen vor allem jene Marktteilnehmer beherzigen, die nichtmonetäre Schuldtitel kaufen. Und das sind vor allem die Banken.
Nun ist es in erster Linie die Zentralbank, die beim Schuldtitelgeschäft nicht nur beteiligt, sondern federführend tätig ist. Sie hat gegenüber den Geschäftsbanken etwas voraus. Wovon spreche ich?
Viele nichtmonetäre Schuldtitel haben eine Eigenschaft, die von Vielen als Vorteil gesehen wird, für die Geschäftsbanken unter Umständen aber ein Handycap darstellt: Sie haben lange Laufzeiten/Einlösefristen. Der Nachteil besteht darin, dass sie nicht auf Knopfdruck monetisierbar sind. Denn ihr Emittent besteht auf der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Laufzeit. Die Geschäftsbanken sind aber darauf angewiesen, ihre Schuldtitel (bilanziell erfasst in ihren Aktiven) jederzeit monetisieren zu können, und zwar immer dann, wenn ihre Kunden Geld brauchen.
Ist nun die Unterdeckung bestimmter Schuldtitel allgemein bekannt, z. B. die des griechischen Staates, dann will keiner sie haben. Die Bank findet keine Käufer, die das von ihren Kunden benötigte Geld heranschaffen könnten. Das heißt, die von ihren Kunden geforderte Monetisierung kann nicht stattfinden. In einem solchen Fall ist die Zentralbank die letzte Anlaufstelle, quasi als Retterin in der Not.
Die Zentralbank ist die willige Abnehmerin unverkäuflicher Schuldtitel. Sie kauft sie zum Kurs 1 zu 1 und verschafft damit den Geschäftsbanken die flüssigen Mittel, die sie brauchen, und zwar uneingeschränkt. Sie hat damit zwar keinen Einfluss auf die Geldmenge, wie Viele fälschlicherweise glauben. Aber sie könnte entscheidenden Einfluss auf die Werthaltigkeit der Titel haben, die ihr die Geschäftsbanken als Gegenleistung bei der Refinanzierung zur Verfügung stellen. Als oberste Bonitätsprüfstelle des Bankensystems könnte sie verlangen, dass die Geschäftsbanken Wertberichtigungen an den von ihnen zum Umtausch angebotenen Titeln vornehmen. Sie könnte im Ernstfall sogar selbst diese Berichtigungen vornehmen. Wir beobachten aber: Beides geschieht nicht.
Die Zentralbanken sind gewissermaßen die Werterhaltungsgaranten der im Bankensystem umlaufenden nichtmonetären Schuldtitel – auch der ungedeckten! Sie haben ihrerseits die Garantie, dass ihnen zum Fälligkeitstag der Emittent die Schuldtitel zum Kurs 1 zu 1 wieder abnimmt – auch die ungedeckten. Ob das bei manchen Emittenten jemals geschehen wird, steht in den Sternen. Aber das kann einer Zentralbank egal sein. Ihre Geldschöpfungskraft ist unbegrenzt, jedenfalls solange, bis ihre Eigentümer eine Grenze setzen. Nur: – die Eigentümer sind die Hauptschuldner der Bank. Sie werden deshalb die Grenze nicht setzen.
Beim Durchlauf der Finanzmittel durch den „Finanztunnel“ muss sich also am nominalen Wert der Finanzmittel nichts ändern. Erst dann, wenn festgestellt werden muss, dass sich das beim Wertschriftenkauf unterstellte Leistungspotential nicht entfaltet hat, also zum Zeitpunkt des gewünschten Sachgüterkaufs, wird das Debakel offenbar: Die erwarteten und verlangten Güter sind nicht da oder nicht in ausreichender Menge. Und jetzt ereignet sich genau das, was in den Beiträgen „Inflation und Deflation“ und „Inflation und Gelddeckung“ beschrieben wurde: wenn bei Güterknappheit der Kaufwille anzieht, ziehen auch die Preise an.
Selbst wenn die allfällige Wertberichtigung bei den ungedeckten Schuldentiteln an keiner Stelle der Fahrt durch den „Tunnel“ erfolgt und wenn bei dieser Fahrt alles bilanziell korrekt abläuft, kann die Katastrophe eintreten. Das kann nicht erst morgen sein, sondern sofort und ganz plötzlich.
Die Auswirkungen der Versäumnisse bei Bonitätsprüfungen können also nicht erst die „späteren Generationen“ treffen, wie vielfach befürchtet und auch beschrien („Unsere Kinder müssen unsere Schulden zahlen“, „Nach uns die Sintflut“). Sie können schon heute, und zwar jeden Markteilnehmer treffen. Der Grund? – Das aus ungedeckten Schuldtiteln generierte und deshalb ungedeckte Geld, das zunächst vielleicht noch nicht ausgegeben wird, sondern zurückgelegt und gespart wird, kann jederzeit in den Markt gelangen, und zwar aus einem beliebigen Hort heraus, zumeist aus den „elektronischen Tresoren“ der Banken. Geschieht dies massenhaft und aus angstgetriebener Hysterie heraus, haben wir ein Problem – unter Umständen ein gewaltiges. Denn Preise können rapide in die Höhe schießen.
Die Anreize bei der Ermittlung der Bonität der Emittenten nichtmonetärer Schuldtitel können so vernunftwidrig gesetzt sein, dass kein großes Interesse besteht, die Ermittlung sachgerecht vorzunehmen. Auch Unprofessionalität kann mitspielen. Das bedeutet am Ende: Es wird nominal 1 zu 1 Geld hergegeben gegen ungedeckte Schuldtitel. Dabei wird Volldeckung bloß unterstellt bzw. untergeschoben.
Die immer häufiger vorgetragene Forderung an die Obrigkeit, sie möge die Gesetze für den Finanzsektor verschärfen, um dortige Fehlstrukturen zu beseitigen, geht am Kern der Sache vorbei. Wie will man mit einem Gesetz ein Kompetenzdefizit oder eine Pflichtverletzung bei Bonitätsprüfungen verhindern? Mit dem flotten Spruch „Die Banken müssen in die Schranken!“ ist es jedenfalls nicht getan. Regulatorische Maßnahmen bewirken diesbezüglich nichts. Zur Lösung des Problems wird das Bankensystem wohl stärker in die Haft genommen werden müssen. Nur diese Maßnahme kann die Folgen jener Risikofreiheit beseitigen, in der sich die Banken in den letzten Jahrzehnten bewegen durften. Die sogenannten „Freiräume der Analysten“, die darauf hinauslaufen, dass Gewinne bei den Bankinhabern reichlich ausgeschüttet werden, Verluste aber alle Geldnutzer tragen müssen, könnten dann verschwinden.
Über die Folgen ungezügelter Risikofreiheit und der Entlastung von individueller Verantwortung hat uns die Moral-Hazard-Theory hinreichend belehrt. Die Theorie besagt, dass Menschen große Risiken eingehen und sich auf gefährliche Abenteuer einlassen, wenn sie ihr Handeln nicht selbst verantworten müssen. Wenn Individuen davon befreit werden, die Folgen ihrer Handlungen zu tragen, weil die Möglichkeit besteht, die Kosten auf Andere abzuwälzen, weckt dies die Versuchung, leichtsinnig oder gar kriminell zu werden. – Speziell für den Bankensektor heißt das: Mit Kunden- oder Eigengeld (d. h. Forderungen gegen sich selbst) Schuldtitel aufkaufen, die nicht oder kaum durch Leistungspotentiale gedeckt sind. Weil die eventuellen Verluste solcher Risikokäufe am Ende die Nichtbanken tragen müssen (und in einer entwickelten Wirtschaft sind das alle Marktteilnehmer) wird das Risiko der Geldunterdeckung infolge eines Fehlverhaltens, das ursprünglich individuell war, sozialisiert, nämlich in Form der Inflation.
In der Vergangenheit haben besonders Zentralbanken von der Risikofreiheit Gebrauch gemacht. Sie haben im Unterschied zu den Geschäftsbanken keine Geldschöpfungsgrenzen (s. o.). Deshalb ist bei ihnen die Gefahr besonders groß, welche die Moral-Hazard-Theory beschreibt. Ihr Ankauf ungedeckter Schuldtitel von den Geschäftsbanken hat inzwischen riesige Ausmaße erreicht. Die Finanzmittel-Horte der Zentralbanken sind bis zum Platzen gefüllt. Die Inflation, die dadurch ausgelöst werden kann, steht nicht erst vor der Tür. Sie ist schon da.
Übrigens können Geschäftsbanken noch auf ganz andere Weise preistreibend (inflationär) wirken. Sie richten z. B. auf vielen Girokonten sogenannte Überziehungskredite ein. Das tun sie, oft ohne die Bonität (Tilgungsfähigkeit) der Schuldner ordnungsgemäß zu prüfen. Das führt dazu, dass häufig Tilgungen ausfallen und die Banken auf den dadurch verbleibenden Schulden sitzen bleiben. Die daraus erwachsenden Verluste können sie jedoch ausgleichen. Sie setzen die Zinsen für Überziehungskredite bei allen Girokonteninhabern ungewöhnlich hoch an. „Unterm Strich“ halten sie sich dadurch schadlos. Aber die Community der Girokontennutzer blutet für das lasche Prüfungsverhalten beim Finanzsegment „Überziehungskredit“. Der bonitätsmäßig großzügig veranschlagte Überziehungskredit inflationiert den Zins für alle. Auch hier werden die Folgen individueller Versäumnisse sozialisiert.

Zitierte Literatur:
Eckardt, Dietrich, Der Markt und seine Verzerrung, Berlin 2022
Sinn, Hans-Werner, Die wundersame Geldvermehrung – Staatsverschuldung, Negativzinsen, Inflation, Freiburg 2021