Die Absurdität der „Geldpolitik“

Dietrich Eckardt (diteck@t-online.de; www.dietrich-eckardt.com

Die Zinshöhe für geliehenes Geld wird in einer entwickelten Finanzwirtschaft vom Markt bestimmt. Der Zins ist ein Marktpreis, jener Preis nämlich, den der Markt als Lohn für einen Liefer- bzw. Zahlungsaufschub zu gewähren bereit ist. Unter anderem von der Höhe des Marktzinses hängt es ab, ob man den Vorteil eines Darlehens nutzen will oder nicht. Entscheidend wird diese Höhe aber nur in wenigen Fällen sein (s. unten). Trotzdem:  an diesem Punkt setzen die Aktivitäten der nationalen Zentralbanken an. Sie gehen davon aus, dass die Höhe des Zinses negativ mit der Kreditnachfrage korreliert. Vor diesem gedanklichen Hintergrund werden diese Banken aktiv – angeblich mit dem Ziel, den Geldwert zu stabilisieren. Wir beobachten seit längerer Zeit, wieviel „Erfolg“ sie damit haben.

Die Zentralbank eines Währungsgebiets ist in der Bestimmung der Höhe der von ihr im Rahmen von Refinanzierungen erhobenen Zinsen vom Wettbewerb unabhängig. In ihrer Rolle als Letztfinanziererin („lender oflast resort“) ist sie Monopolistin. Das ist die Voraussetzung dafür, dass so etwas wie Leitzins das Licht der Welt erblicken kann. Der Leitzins ist der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank verschulden können. Er soll in die Mischkalkulation des Marktzinses einfließen und ihn mehr oder weniger hoch oder niedrig halten. Verbilligtes oder verteuertes Geld könne ja dazu animieren, mehr oder weniger Darlehen aufzunehmen und verstärkt oder vermindert zu kaufen.

Die rein wirtschaftliche Funktion (Zentralbank als Refinanzierungs- und Finanzmittelaufbewahrungsinstanz) ist gekoppelt mit einer anderen:  die Währung sichern oder – in den Worten der Zentralbanker – „Preisstabilität gewährleisten“ (Informationsschrift der EZB, 2009). Von einer Zentralbank wird erwartet – und sie nährt solche Erwartung auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit – wachsame Gralshüterin des Geldes zu sein. Es ist klar, dass eine so verantwortungsvolle Aufgabe nur auf dem Weg einer „Politik“ erfüllt werden kann, im vorliegenden Fall von der sogenannten Geldpolitik. Mit der Geldpolitik wächst der Zentralbank über die rein ökonomische Funktion hinaus eine weitere Aufgabe zu:  die einer Regelgeberin. 

Durch die Veränderung des Leitzinses soll sich nicht nur die Finanzwelt, sondern – in Verbindung mit ihr – die Wirtschaftswelt insgesamt beeinflussen lassen. So wurde die Vorstellung eines zentral gesteuerten Leitzinses zu einem der beliebtesten Ideen nicht nur der Geldpolitik, sondern auch der sogenannten Konjunkturpolitik. Die Konjunkturpolitik ist der reale Niederschlag der Idee der obrigkeitlichen Nachfragesteuerung (der „Keynesianischen Feinsteuerung“; Rothbard, 2012, Bd. 1; John Maynard Keynes, 1971).

Die Geldpolitik entsprang dem Wunsch, der Bewertung der Güter innerhalb einer Wirtschaft Bestand zu verleihen und damit die Inflation zu bekämpfen. Nun sollte man aber wissen, dass nur dann Hoffnung besteht, eine Inflation in den Griff zu bekommen, wenn man die Fülle der Faktoren, die eine solche bewirken, unter Kontrolle hat, zumindest die Hauptfaktoren. Das sind vor allem die Abläufe und Techniken bei der Bonitätsprüfung der kreditgebenden Banken. Und das sind die Lohnkämpfe der Tarifkartelle. Nicht zuletzt ist da auch noch der Staat – in seiner Rolle als „ewiger Schuldner“ (Dietrich Eckardt, 2022). 

Seit dem zweiten Weltkrieg ist in keiner Marktwirtschaft beobachtet worden, dass Leitzinsmanipulationen zu dauerhafter Preisstabilität geführt hätten, die ja hätte bewirkt werden sollen. Die einzigen signifikanten Effekte waren Verzerrungen am Geldmarkt:  zeitweise hohe Darlehenszinsen mit der Folge hoher Renditen beim Investment und – in einer Wirtschaft mit ca. 80% Leihkapital wie beispielsweise der deutschen – hohe Produktionskosten (s. u.). Das aber bedeutet zweifelsfrei Inflation, also gerade das, was die Geldwertstabilitätler verhindern wollen.

In den letzten Jahrzehnten hat sich bei den Zentralbanken die Tendenz durchgesetzt, eine (moderate) Inflationsrate geradezu anzustreben. Dafür legt man eine sogenannte Zielgröße für die gewünschte Inflationshöhe fest. Man strebt in den USA und in der EU eine Inflation von 2% per anno ausdrücklich an. Die soll nicht über-, neuerdings aber auch nicht unterschritten werden. Dies zu erreichen, sei Sache der „Geldpolitik“. Dazu ist zunächst einmal zu sagen: die Inflationsbekämpferin Zentralbank findet nichts dabei, auf eine Inflation geradezu hinsteuern zu wollen, wenn auch nur auf 2%. – Aber dies nur nebenbei. 

Die Befürworter der „Geldpolitik“ gehen offenbar davon aus, dass der Umfang der Kreditaufnahme die wichtigste Ursache für Konjunkturschwankungen und der vermeintlich damit verbundenen Inflationsgefahr ist. Derartiger Ökonomieverstand schreit geradezu danach, dieses Geschehen „politisch“ zu steuern. Es soll eine „überhitzte“ Konjunktur durch Geldmengenverknappung gekühlt und eine „unterkühlte“ durch Geldmengenzuwachs erwärmt werden. Das soll sich angeblich durch eine Veränderung des Leitzinses machen lassen, sozusagen nach der Geldhubschrauber-Geldstaubsauger-Methode.

„Es liegt bis heute keine verlässliche Beweisführung vor, dass Zentralbanken, für die Hunderttausende von Angestellten arbeiten, mit ihrer Zins- und Geldmengenbeeinflussung den Wohlstand der Volkswirtschaften mehren würden“ (Thorsten Polleit und Michael von Prollius, 2014). Schon Ludwig von Mises, der sich nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis ausgiebig mit Geldfragen beschäftigt hat, kommt zu dem Schluss.  „Die Vorstellungen, die der Forderung nach Stabilisierung zugrunde liegen, sind vom Anfang bis zum Ende unhaltbar und widerspruchsvoll“ (Nachdruck 1980). Selbst eine Goldwährung ist nicht wertstabil. Die Annahme, man könne den Wert des Geldes durch künstliche Maßnahmen stabil halten, ist nichts als ein „naiver Glaube“ (ders., Nachdruck 2005). 

Um dies nachzuvollziehen, konfrontieren wir uns auch an dieser Stelle unserer Aufklärungsprotokolle wieder mit den Vorgängen in der Praxis und mit den dort beobachtbaren Phänomenen.

Diejenigen Geldnutzer, die Geldmengen in signifikanter Größenordnung beanspruchen und diese bei den Banken nachfragen, sind die Wirtschaftsunternehmen. Es ist jetzt zu fragen:  Was mache ich als Unternehmer während einer „überhitzten Konjunktur“, die mit einem erhöhten Leitzins wegen der angeblich von ihr ausgehenden Gefahr zentralbankenseits gekühlt werden soll? 

Die Zentralbanker gehen offensichtlich davon aus, dass ich vor der Aufnahme eines Darlehens zunächst einmal zunächst einmal lehrbuchmäßig „Faktoranalysen“, „Barwertbestimmungen“ und Ähnliches vornehme. Sie können sich nicht vorstellen, wie weltfremd das ist. Meine erste Aktion bei Geldbedarf ist nämlich der Blick in mein Auftragsbuch. Und in diesem ist die Nachfrage nach meinem Produkt notiert. 

Die Nachfrage ist in einer Hochkonjunkturphase gut. Eine solche Phase beschert nicht nur anderen, sondern auch mir ein volles Auftragsbuch. Sollte ich die mir zufliegenden Aufträge wegen eines durch den Leitzins hoch gehaltenen Zinses ausschlagen? – Nein! Moderate Verschuldung vorausgesetzt, nehme ich das zur Auftragserfüllung benötigte Kreditgeld trotz hoher Zinsen und kalkuliere den hohen Zins in meine Verkaufspreise ein. Denn auch den Käufern und Abnehmern meiner Güter geht es bei einer „Überhitzung“ am Markt nicht schlecht. Sie werden höher entlohnt bzw. erzielen höhere Gewinne. Das bewirkt, dass viele von ihnen in ihrem Konsumverhalten mutiger werden und meine Produktpreise akzeptieren, die nun wegen des zentral manipulierten Zinses höher sind. 

Es lassen sich die teuren Kreditgelder eben gewinnbringend einsetzen. Deshalb greife ich bei Bedarf auch dann danach, wenn sie hochbezinstsind. Solches Verhalten zeige nicht nur ich, sondern das zeigen auch die anderen Unternehmer. Auch die befinden sich bei Hochkonjunktur in einer guten Auftragslage. Auch deren Kundschaft sagt nicht nein, wenn es ums Kaufen geht, selbst dann nicht, wenn der überhöhte Zins in den Verkaufspreisen enthalten ist. So steigen trotz hoher Zinsen und der damit beabsichtigten Drosselung des Geldmengenzuwachses flächendeckend die Preise. 

Jeder Manipulationsversuch des Marktes von außen wird stets von den Marktgesetzen unterlaufen. Das gilt auch für den Finanzmarkt. Geld- und Konjunkturpolitik in Form einer Zinsmanipulation hat noch nie richtig funktioniert, selbst nicht in den angeblich goldenen Zeiten der Deutschen Bundesbank. Welches vorteilspendende Geheimnis sich hinter dieser Form von „Politik“ verbirgt, muss erst noch ergründet werden.

Eine ernüchternde Erfahrung mussten die Zentralbanker in der sogenannten „Finanzkrise“ (ab 2007) machen, als sie durch extrem niedrige Zinsen die Unternehmen dazu animieren wollten, mehr Darlehen zu nehmen. Die als zu lau eingeschätzten Wirtschaftsaktivitäten sollten damit angekurbelt werden. Die störrischen Unternehmer wollten das Geld aber gar nicht, worauf z. B. die Deutsche Bundesbank mehrfach klagend hinwies. Trotz niedrigster Zinssätze reagierten die Investoren nicht auf die Leitzinspolitik der Zentralbank.

Die Banker übersahen, dass Unternehmer und selbst Börsenspekulanten billigst angebotenes Kreditgeld nicht abnehmen, wenn sie keine vernünftigen Absatzchancen für ihre Produkte und Leistungen bzw. keine Gewinnchancen beim Handel mit Wertschriften sehen. Sie wollen dann einfach nicht. Der Wille der Wirtschaftssubjekte als treibende oder dämpfende Kraft im Konjunkturgeschehen wird in der theoretischen Ökonomie noch immer gewaltig unterschätzt. Dieser unberechenbare Faktor macht jede „Politik“ im Finanzwesen zur Farce. Die Zentralbanker glauben aber, man könne den Kaufwillen der Marktteilnehmer steuern. Sie machen ihre Rechnung ohne die Nöte oder Gelüste freiheitsbegabter Individuen.

Nicht die Geldnutzergemeinschaft fällt Kaufentscheidungen. Sie ist ja kein besonderes Lebewesen, das so etwas wie eine volonté général in sich trüge. Kaufentscheidungen fällen immer nur einzelne Individuen. Und die kaufen, wenn sie es für richtig halten und nicht dann, wenn sie laut Zentralbankbeschluss kaufen sollen. Wer wirklich kaufen will, sei es aus Not, Angst oder Lust, dessen Wille ist eher selten durch den Willen der Zentralbanker beeinflussbar. Einen wesentlich größeren Einfluss auf Kaufentscheidungen dürften Werbefeldzüge haben. Dann wäre der richtige Weg für die „Geldpolitik“ doch der, Werbeagenturen und Psychologen zu sponsern. Die schaffen es manchmal, aus freiheitsbegabten Menschen Lemminge zu machen.

Ein eindrückliches Beispiel für die Unsinnigkeit der über Leitzinsen in Gang gehaltenen „Geldpolitik“ bescherte uns Deutsche die Hochzinsphase Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die durch den anwachsenden Leitzins in große Höhen getriebenen Darlehenskosten hielten weder die deutsche Wirtschaft, noch den deutschen Staat davon ab, immense Schulden zu machen. Während dieser Zeit wuchs die Geldmenge horrend. Am Ende war sie fast doppelt so groß als geplant. Schon in den ersten Monaten des Jahres 1994 war sie um 40% angewachsen!  Niemand kam über einen derart offensichtlichen Affront gegen die „Geldpolitik“ in Rage. – Dem Franzosen Jacques Delors wird das seinerzeit geäußerte Bonmot zugeschrieben: „Nicht alle Deutschen glauben an den lieben Gott, aber alle an die Bundesbank.“

Bei der unübersichtlichen Fülle der Vorgänge am Markt mit seinen freien individuellen Entscheidungen:  wer will hier – außer den Bonitätsprüfern oder den Monopolkontrolleuren (Dietrich Eckardt 2022und 2022 a) zwecks Inflationsbekämpfung etwas „zum Guten“ hin lenken? Außerdem:  Wenn die Zentralbank damit beginnt, den Zins zu verändern, ist es für eine effektive Steuerung der Konjunktur sowieso schon zu spät. Denn jede Leitzinsänderung braucht ihre Zeit, um am Markt durchzudringen. Insofern stellt sich automatisch die Frage:  was geschieht, wenn die Wirkung einer Leitzinserhöhung erst dann einsetzt, wenn die Konjunktur wieder zu schwächeln beginnt?

Ausschlaggebend für die Kreditnachfrage – und damit für das Geldmengenwachstum – sind nicht zuletzt die Zukunftserwartungen der Gütererzeuger, Konsumenten und Spekulanten (Otmar Issing. 2015). Und die treibende Kraft des Geschehens ist der ganz natürliche egoistische Wunsch nach mehr Gewinn und mehr Gütern. Kaum jemand schert sich, wenn er wirklich kaufen will, an der Höhe des Zinses. Der Kaufwille der Wirtschaftssubjekte und ihre Erwartungen an die Zukunft sind die entscheidenden Faktoren für das Auf und Ab der Geldmenge. Teures Geld hält die wenigsten vom Kaufen ab. Die Entscheidungen derjenigen, die nur wegen zu teurem Geld nicht kaufen, beeinflussen den Gang der Dinge kaum.

„Niemand kauft, nur weil er Geld hat“, sagte der erfahrene Banker Johann Philipp von Bethmann einmal (1997). Umgekehrt wird ein Schuh daraus:  Jeder besorgt sich Geld, wenn er kaufen will. Dann steigt oder sinkt die Geldmenge, und zwar auf die der Wirtschaft bestens angepasste Weise. Die Verschuldungsbereitschaft für Käufe und die Bonität der potentiellen Käufer sind die Auslöser für ein natürliches Geldmengenwachstum. Hieraus ist zu lernen:  eine höhere Güternachfrage schafft ein Mehr an Geld und nicht, wie die Monetaristen und Keynesianer glauben, ein Mehr an Geld eine höhere Güternachfrage. Konjunktur ist stets die Gesamtheit getätigter Nachfrage. Und die beruht letztlich auf den Willensentscheidungen der Nachfrager. Deren Wille hängt wesentlich von subjektiven Wünschen und Erwartungen ab. 

Veränderungen im Geldmengenbereich sind in einer vernunftgemäß entwickelten Ökonomie stets nur Wirkungen aufgrund realwirtschaftlicher Veränderungen. Und die entstehen zuerst im Kopf der einzelnen Wirtschaftssubjekte. Auch wenn die Preise in die Höhe klettern und wenn vor lauter Anlegergeld die Börse platzt – es sind immer individuelle Entscheidungen, welche die Geldmenge bestimmen. 

Je größer der Wille zum Kauf (bzw. zur Investition), desto mehr Geld entsteht. Nachfragebereitschaft bewirkt Verschuldungsbereitschaft und somit Geldschöpfungsbereitschaft. Diese Erkenntnis bestätigt die These der Banking-Theorie:  Die Steigerung der Wirtschaftstätigkeit und Wirtschaftsdynamik bewirkt ein natürliches Geldmengenwachstum und nicht umgekehrt. An diesem Vorgang ist das Geld nicht aktiv, sondern passiv beteiligt. Diejenigen, die dennoch versuchen, das Geld mittels gelenkter Maßnahmen „aktiv“ zu machen, können getrost ihr Waterloo abwarten. 

Die Inflationsrate war in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland vergleichsweise moderat. Es ist insofern nicht verwunderlich, dass die Deutsche Bundesbank es auf ihrem Konto als Guthaben verbuchte, dies angeblich mit Hilfe ihrer „ausgewogenen Geldpolitik“ bewirkt zu haben. Wesentlich mehr Gewicht dürfte man der Behauptung der Tarifpartner beimessen, ihre besonnene „Tarifpolitik“ hätte die Inflationsrate niedrig gehalten. Auf jeden Fall war es auch das Verdienst kreditgebender Geschäftsbanken, die ihre Bonitätsprüfungen hinreichend kompetent bewerkstelligt hatten. Außerdem dürfte auch die Innovationskraft der Wirtschaft und die dadurch gewachsene Produktivität zur Preisstabilität beigetragen haben.

Es sei einem monetären Zentralinstitut unbenommen, die Höhe seiner Zinsen festzusetzen. Nur muss es nicht glauben, damit „Politik“ machen zu können. Jede willkürliche, also widernatürlich in Gang gesetzte Zinsänderung hat früher oder später Einfluss auf die Sachgüterpreise. Erhöht sich der Zins, dann erhöhen sich auch sie. Dann bewirkt dies eben Inflation, und zwar entgegen dem honorigen Anliegen der Inflationsschützer. Bei den durch „Geldpolitik“ bewirkten Inflationen ist es nur eine Frage der Zeit, wann sie voll durchschlagen. Programmiert sind sie von Anfang an. Bei wertvollen realen Vermögenswerten (Immobilien, Investitionsgütern, Rohstoffen.) sind sie immer zuerst sichtbar. Dafür gibt es Gründe, die hier nicht zu diskutieren sind.

Bei aller Mühe um die Inflationsbekämpfung – man vergesse nicht:  Geld entsteht immer zwischen uns (wozu auch der Staatsbetrieb, die Zentralbank und die bei der Zentralbank um Darlehen anhaltenden Geschäftsbanken gehören), und zwar in einem autonomen Schöpfungsprozess. Geld entsteht immer dort, wo bei einem Tauschgeschäft ein Schuldverhältnis überlebt und eine Kreditierung fällig wird (Dietrich Eckardt, 2022). 

Kein Individuum, kein Institut kann die Finanzmärkte beherrschen. Kreditierungen erwachsen zwar aus Bedürfnissen, die oft allgemeine Bedürfnisse sind, hängen aber letztlich von individuellen Erwägungen und von individueller Willkür ab. Der Versuch, „Geldpolitik“ über den Leitzins zu betreiben, verstößt so ziemlich gegen jedes Marktgesetz, das mir bekannt ist. Die einschlägigen Versuche der EZB sind so schräg, dass sie dem architektonischen Entwurf ihres Frankfurter Hauptgebäudes Konkurrenz machen könnten.

In meinem Wirtschaftswerk (2022) wurde gezeigt, dass das Preisniveau nur dann aus dem Lot gerät, wenn das Geld nicht ausreichend gedeckt ist. Die Geldvernichtung ist dann nicht ausreichend gesichert. Inflation entsteht aufgrund einer Gelddeckungslücke. Eine solche Lücke wird am Markt auf ganz natürliche Weise geschlossen:  mit Preiserhöhungen. Der Markt korrigiert über kurz oder lang ökonomisches Fehlverhalten, und zwar aufgrund apriori geltender Marktgesetze.

Eine Zentralbank kann nur in einer Hinsicht „Hüterin des Geldes“ sein, nämlich dann, wenn sie sich als professionelle oberste Bonitätsprüfstätte des Finanzverkehrs versteht. In ihrer Rolle als „lender of last resort“ könnte sie diesen Auftrag durchaus erfüllen. Die Greenspans und Lagardes müssten sich dem Publikum dann nicht mehr so bemüht schlau und überlegen wie bisher präsentieren, als eine allwissende Priesterkaste – residierend in so etwas wie Tempeln (die Bankhäuser mit ihren Säulen und Hallen). Mr. Alan Greenspan, ein US-Zentralbanker, dessen Stirnrunzeln es angeblich vermochte, eine ganze Armada von „Experten“ in Panik zu versetzen, wird uns sicher irgendwo erklärt haben, warum er – trotz seiner idealen Einsichtsmöglichkeiten in das Geldwesen – noch jahrelang den Dollarzins manipulierte. 

Es war amüsant, das Ritual der öffentlichen Leitzinsverkündung zu Greenspans Zeiten zu verfolgen. Da saßen seriöse Wirtschafts- und Börsenbosse ehrfürchtig auf den Rängen und lauschten zuchtvoll den Statements des Gurus. Groß war denn auch die Überraschung anlässlich der Finanzcrashs Anfang des 21. Jahrhunderts. Das Publikum traute seinen Augen nicht, als es die Betreiber der Zentralbanken („Masters ofUniverse“) plötzlich als hektisch agierende Löschmannschaften erlebte und nicht mehr in der Pose imposanter und souverän dreinschauender Magnaten.

Wie naiv der Glaube an die „Geldpolitik“ selbst bei honorigen Staatsfunktionären ist, zeigt die Tatsache, dass die deutsche Regierung z. B. die „Libra“, die als neues Wertmaß geschaffen werden soll, nicht zulassen will. Die Libra-Währung würde angeblich die „Geldpolitik“ schwächen. Deshalb müsse man sie mit einem Bann belegen („Libra-Bann“; SPIEGEL-Titel 38/19). Die Libra wird in Bezug auf ihre Deckung genauso „gut“ oder „schlecht“ sein, wie alle nationalen Währungen dieser Welt. Denn sie ruht auf ihnen. Sie hätte aber gegenüber anderen Währungen den Vorteil, dass sie als globales Wertmaß zu gebrauchen ist. Dadurch erübrigt sich jede Form von Devisenhandel. Um an die Libra zu gelangen und in dieser Währung zu bleiben, muss man nur ein einziges Mal in eine „Wechselstube“.

Die Grenzen der heute so hoch gehandelten „Geldpolitik“ und ihrer „Inflationsbekämpfung“ wurden schon relativ früh erkannt (z. B. von Friedrich Lutz, 1962). Dass aber solche „Politik“ völlig absurd ist und sogar schädlich, erhellt erst nach eingehender Inaugenscheinnahme der Phänomene und ihrer kritischen Analyse 

Vielleicht ist die Erkenntnis über die Unsinnigkeit ihrer „Politik“ inzwischen auch in die Hirne der Zentralbanker gelangt. Denn wir beobachten, dass sie in aller Verschwiegenheit ihre Hauptaufgabe umdefiniert haben. Sie legen Hilfsprogramme für fallierende Nationalstaaten auf. Das uneingestandene Primärziel dieser Banken ist längst, marode Schuldnerstaaten vor dem Bankrott zu retten (Wirtschaftswoche 42/2020). Die einstmals voller Stolz auftretenden staatlichen Zentralbanken sind zu karitativen Rettungsstationen mutiert. Mit ihren „Social Bonds“ wollen sie den schwächelnden Nationalregierungen zur Seite stehen. Sie sind die zurzeit rührigsten Sozialämter der Welt. 

Grundsätzlich ist gegen eine solche Art Überlebens-Versicherungen nichts einzuwenden. Wenn sich Zentralbanken bei sich selbst verschulden, um anderen zu helfen, ist das eine an sich schöne und wohltuende Sache. Es fühlt sich an, als wenn eine Hausrats-Versicherung einen entstandenen Schaden beseitigt. Nur unterscheidet sich die Versicherung „Staatsbank“ in einem wesentlichen Punkt von den Privatassekuranzen. Bei Letzteren zahlen die Abzusichernden ihre Beiträge vorher schon ein. Beim Staat und bei der EZB hingegen wird verlangt, dass die Einzahlung durch spätere Generationen erfolgt. Das durch Vorableistung entstandene Beitragsloch werden die Kinder und Enkel schon irgendwie schließen, heißt es, „Viele von ihnen erben ja auch“.

Für ihre karitativen Absichten hat die EZB den „Europäischen Stabilisierungsmechanismus“ (ESM) und die „Europäische Finanzstabilitätsfazilität“ (EFSF) erfunden. Schon die Namensgebung für solche Gebilde lässt vermuten, dass hier etwas grundsätzlich nicht stimmt.

Die karitativen Umtriebe der Staatsbanken haben offenbar die volle Zustimmung und den Segen vieler Ökonomen an den Hochschulen. Inzwischen haben „in der Wissenschaft Ökonomen Zulauf, die nicht die Stabilisierung des Preisniveaus, sondern das Gelddrucken zur Finanzierung der Staatshaushalte als vordringlichste Aufgabe der Zentralbanken betrachten“ (Wirtschaftswoche, 42/20).

Die Angst ums Überleben bei den Staats- und Bankfunktionären wurde bisher durch simple geldpolitische Strategien beruhigt. Trotz der Einsichten kluger Ökonomen haben bekannte Zentralbanker, allen voran die früheren Notenbankchefs Ben Bernanke, seine Nachfolgerin Janet Yellen und in Europa Mario Draghi, die Bevölkerung und ihre Geschäftsbanken immer wieder damit besänftigt, dass sie notfalls so viel Geld erhalten werden, wie sie wollen („Politik der Vollzuteilung“, „Schaufenster“-Politik). Das alles geschah und geschieht ohne Rücksicht darauf, wie es sich auf die künftige Kaufkraft der Geldnutzer auswirken wird. Nicht das „billige Geld“ ist „der Fluch“ für die Wirtschaft, wie ein deutsches Nachrichtenmagazin meinte verlautbaren zu müssen, sondern das billige (inkompetente oder skrupellose) Verhalten gewisser Banker bei der Geldschöpfung. 

Die Geldpolitik bewirkt zu häufig das Gegenteil von dem, was sie vorgibt zu bewirken, als dass man sie noch ernst nehmen könnte. So ist es zu begrüßen, dass ihr wirtschaftlicher Einfluss im Zuge der Globalisierung immer mehr zur Farce wird und diese Einsicht allmählich auch in die Köpfe der Geldwertstabilitätler dringt. Dennoch sind die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft immer noch größer als einige Finanzexperten glauben – nicht zuletzt wegen des immensen personellen Aufwands, den der angebliche Nutzen fordert. Nirgends gibt es mehr Einkommensmillionäre, als bei den Zentralbanken dieser Welt.

Fazit: Geldwertstabilität mit Leitzinspolitik erzielen zu wollen, basiert auf einem „monumentalen Trugschluss“ (Hajo Riese, 2001). Umfassende Einflussnahmen auf die Geldschöpfung sind bei der heutigenWirtschaftsorganisation praktisch unmöglich. Und das ist auch der Grund, warum wir seit einiger Zeit beobachten, wie die „Geldpolitik“ an die Wand fährt. Die Geldmenge lässt sich über Zinsen nicht steuern. Geldpolitik über Leitzinsen kann sich nicht nur, wie beabsichtigt, antizyklisch auswirken, sondern – wie wir oben gesehen hatten – auch prozyklisch, und zwar in Richtung Inflationen. 

Zitierte Literatur:

Bethmann, Johann Philipp von, Unbezahlte Rechnungen – Die Geldmengenpolitik ist am Ende, Frankfurt/M. 1994

Eckardt, Dietrich, Der Markt und seine Verzerrung, Berlin 2022

Eckardt, Dietrich, Die Bürgergesellschaft – Ein Gegenwurf zur Staatsgesellschaft, Berlin 2022 a

Europäische Zentralbank (EZB), Das Eurosystem, Frankfurt 2009

Issing, Otmar, Einführung in die Geldtheorie, 15. Aufl. München 2011

Keynes, John Maynard, A Treatise on Money, in Collected Writings, London 1971

Lutz, Friedrich, Grenzen der Geldpolitik in:  Geld und Währungen – Gesammelte Abhandlungen, Tübingen 1962

Mises, Ludwig von, Nationalökonomie – Theorie des Handelns und Wirtschaftens, Nachdruck München 1980

Mises, Ludwig von, Theorie des Geldes und der Umlaufmittel, Nachdruck Berlin 2005

Polleit, Thorsten und Prollius, Michael von, Geldreform – Vom schlechten Staatsgeld zum guten Marktgeld, München 2014

Riese, Hajo, Grundlegungen eines monetären Keynesianismus, 2 Bände Marburg 2001

Rothbard, Murray Newton., Für eine neue Freiheit – Kritik der politischen Gewalt, 2 Bände, Hrsg. Stefan Blankertz, Berlin 2012

SPIEGEL, Wochenmagazin, Hamburg Jg. 1949 ff

WirtschaftswocheWochenzeitung, Düsseldorf Jg. 1973 ff