Das Geld

Dietrich Eckardt (diteck@t-online.de; www.dietrich-eckardt.com

In dem Beitrag „Gutscheine und Wertschriften“ hatten wir gesehen:  Wertschriften sind symbolisch vergegenständlichte und quantitativ bewertete Tilgungsversprechen. Sie können zwischen zwei Individuen oder in einem begrenzten Kreis von Individuen als Zahlungsmittel fungieren. Vernünftig in Gang gebracht werden kann der Handel mit ihnen aber erst, wenn sie von vielen oder gar allen Teilnehmern eines Handelskreises als Wertschriften akzeptiert werden. Dann sind sie das, was wir ausdrücklich und im engeren Sinne Geld nennen.

Einige Wertschriften bilden, sofern sie von guten Emittenten stammen, in ihrer Gesamtheit so etwas wie Universalgeld der Finanzwirtschaft. (Universalität des Geldes ist nicht zu verwechseln mit Globalität des Geldes!). Universalgeld ist noch nicht das, was wir als Geld im engeren Sinne bezeichnen. Es hat aber schon alle Eigenschaften desselben. Unter Verwendung der Erkenntnisse, die aus dem Beitrag „Gutscheine und Wertschriften“ gewonnen wurden, ergibt sich als Definition für das Universalgeld:

Universalgeld ist die Gesamtheit der quantitativ bewerteten, symbolisch vergegenständlichten Versprechen, die gedeckt sind durch das Potential hochbonider Emittenten, die mit ihren Emissionen in die Welt gelangte Schuld zu tilgen.

Der in dieser Definition fixierte Geldbegriff ist eindeutig. Die infolge der Definition erfasste Finanzwirtschaft ist ihrem Wesen nach Kreditgeldwirtschaft. Hier gibt es kein Geld, was nicht aus Krediten stammt. Unser heutiges Geld basiert also auf nichts anderem als auf Versprechen, genauer gesagt:  auf Tilgungsversprechen, eine Wahrheit, die einen Großteil sogenannter „Geldtheorien“ vom Tisch fegt.

Viele Arten von Wertschriften, die wir in der Klasse des Universalgeldes vorfinden, sind noch nicht das, was wir im eigentlichen Sinne Geld nennen. Sie mögen als Geld fungieren. Aber sie sind in den Augen vieler Menschen noch kein Geld, jedenfalls kein „richtiges” Geld. Die unterschiedlichen Formen des Universalgeldes sind nur Geld zwischen bestimmten Tauschpartnern und für diese Tauschpartner. Sie sind dem sogenannten „richtigen“ Geld gegenüber defizitär, selbst wenn jährlich weltweit ein Wert von zig Milliarden davon in Umlauf ist. Was fehlt einem Geld also noch zum vermeintlich „richtigen” Geld?

Es fehlt ihm die Akzeptanz als Tauschobjekt von allen Subjekten eines bestimmten Handelskreises. Diese Akzeptanz kommt dem Währungsgeld zu. Währungsgeld ist nicht Geld schlechthin, wie beispielsweise Ernst Wagemann noch meinte („Währung ist ein anderer Ausdruck für Geld“; 1932), sondern es ist eine Unterklasse des Universalgeldes. Diese Unterklasse weist gegenüber anderen Geldklassen eine Besonderheit auf:  Währungsgeld wird nur bei Banken emittiert. Und das Bankensystem ist immer Letztschuldner des bei ihm emittierten Geldes, auch dann, wenn meistens die Bankkunden die Schulden tilgen. Erst durch diese Letztschuldnerschaft des Bankensystems erscheint Währungsgeld in einem besonderen Sinne gedeckt. So lässt sich sagen: 

Währungsgeld ist jener Teil des Universalgeldes, dessen Deckung von Banken gewährleistet ist.

Setzt man in diese Definition den Inhalt der Universalgelddefinition ein, dann folgt:

Währungsgeld ist die Gesamtheit der quantitativ bewerteten, symbolisch vergegenständlichten Versprechen, die gedeckt sind durch das Potential des Bankensystems, die mit seinen Emissionen in die Welt gelangte Schuld zu tilgen.

Erst Währungsgeld ist nach üblicher Auffassung „richtiges“ Geld. Die Banken emittieren es z. B. beim Wertschriftenankauf oder aufgrund von Krediten. Währungsgeld ist kein bloßes Privatgeld eines boniden Wertpapier-Emissärs XY und auch nicht ein bestimmtes „Regiogeld“, sondern Geld im Sinne des Allgemeinverständnisses. Es genießt Akzeptanz im höchsten Grade, nämlich bei allen Individuen einer Geldnutzergemeinschaft. Währungsgeld ist auch nicht auf bestimmte Tauschakte beschränkt. Es ist in unterschiedlicher Vergegenständlichung (auch als Bankscheck oder als EDV-Eintrag) in die Gesamtheit der Tauschvorgänge eines Handelskreises einflechtbar. Währungsgeld ist das liquideste Tauschmittel.

Die Handelskraft eines Wirtschaftssubjekts ist optimal, wenn sie sich in Form von Geld realisiert. Das reicht aber nicht immer. Voll entfalten kann sie sich erst, wenn das Tauschgut „Geld“ in Form von Währungsgeld materialisiert ist. Erst das Währungsgeld ist ein Geld, mit dem man innerhalb eines Handelskreises überall und immer bezahlen kann. Regulär mit Geld bezahlt wird auch bei solchen Tauschgeschäften, in die ein von der Wirtschaft irgendwo geschaffenes Geld (Near Money) einfließt. Aber nur mit Währungsgeld kann man alle nur möglichen Tauschgeschäfte innerhalb eines Handelskreises tätigen. So hat man (neben vielen anderen Zahlungsmitteln!) im Währungsgeld ein besonders ausgezeichnetesZahlungsmittel.

Neben dem Währungsgeld wird es in einer Finanzwirtschaft immer auch Gelder geben, deren Deckungsgarantie keiner Bank zuzuschreiben ist, sondern anderen Bonitätsprüfern, z. B. den Analysten von Investmentge-sellschaften und Lebensversicherungen. Die von ihnen für ihre Geldgeschäfte akzeptierten Wertschriften sind im Idealfall ebenfalls vollgedeckte Zahlungsmittel. Aber diese Institute übernehmen nicht die Letzthaftung für die von ihnen aufgekauften Schuldtitel – so wie etwa das Bankensystem.

Wie hoch der Anteil und die Bedeutung des Währungsgeldes beim weltweit kursierenden Universalgeld ist, richtet sich danach, ob der Umgang mit Finanzmitteln mehr banken- oder mehr börsenorientiert ist. Hier unterscheidet sich die angloamerikanische von der kontinentaleuropäischen Geldwirtschaft (Jürgen von Hagen und Johann Heinrich von Stein, a. a. O.). Aber immer gilt:  Währungsgelder sind nur Teil des Universalgeldes. Es ist jener Teil, der den höchsten Grad an Marktgängigkeit („Liquidität“) aufweist.

Die bisherigen Definitionen (auch schon im Beitrag „Gutsheine und Wertschriften“), die uns schrittweise zum Geldbegriff hingeführt haben, sind wie bei einer russischen Matruschka-Puppe ineinander verschachtelt. Das ersehen die Leser aus der folgenden Abbildung:

             Ort des Währungsgeldes im Klassensystem der Finanzmittel

Jedes Geld entsteht aus Krediten (s. o.), auch bei den Geldschöpfungsakten der Banken. Selbst dort entsteht Geld auf dem Weg der Kreditierung, wo Forderungen gegen sich selbst erzeugt werden (etwa bei Banken), um mit ihnen zu bezahlen (z. B. um Wertschriftenankäufe zu tätigen). Eine Bank gibt sich für solche Zahlungen gewissermaßen selbst Kredit, was man leicht an ihrer Bilanz ablesen kann.

Die Besonderheit bei der Bankengeldschöpfung ist:  Bankengeld muss stets mit Bankengeld, nämlich mit Währungsgeld, getilgt werden, ganz gleich, wie die Darlehensnehmer an solches Geld herankommen (z. B. durch Verkauf von Gütern oder von Wertschriften oder auch durch Anschlussdarlehen). Die Schuldner der Banken sind ausdrücklich in Währungsgeld verschuldet. Sie geben – in ihrer Rolle als Konsumenten oder Investoren – dieses Geld am Markt aus. Danach müssen sie schauen, wie sie für die Einlösung ihrer bei der Bank abgegebenen Tilgungsversprechen wieder an Währungsgeld herankommen. Das geschieht normalerweise durch Tauschakte am Markt. Tauschmittel können dort die eigene Arbeitskraft oder irgendwelche Sachgüter sein, auch solche, die man erst produziert.

Jenes Geld, das zur Tilgung des geschuldeten Währungsgeldes verwendet wird, ist seinerseits wieder gedeckt, nämlich durch das Potential der Schuldner, solches Geld zu erwerben. Ihr Potential realisiert sich dadurch, dass sie vorhandene oder erst zu erzeugende Sachgüter am Markt verkaufen. Dieses am Markt sich realisierende Können ist in den Augen der Banker die Bonität der in Währungsgeld Verschuldeten. Die Deckung des Währungsgeldes (Bonität der Währungsgeldschuldner) ist insofern – wie bei jedem anderen Geld auch – eine über den Markt vermittelte. Nur wird sie im Bankensystem besonders streng geprüft – sollte sie jedenfalls. Ob Währungsgeld rundum gedeckt ist oder nicht, verdanken wir letztlich der Professionalität der Banker.

Wir hatten in dem Beitrag „Gutscheine und Wertschriften“ schon gesehen:  Die Deckung von Tilgungsversprechen gründet in der Bonität von deren Emittenten. Das Vorhandensein dieser Deckung ist die Voraussetzung für die Geldschöpfung. Die besondere Aufgabe des Bankensystems besteht nun darin, die Bonität der von ihm kreditierten Emittenten von Tilgungsversprechen intensiver und strenger als andere Kreditoren unter die Lupe zu nehmen. Für die auf dem Währungsgeld lastende Schuld trägt zuletzt die Bank das Risiko. Sie haftet für den Tilgungsausfall ihrer Kunden. Das heißt, sie muss im Ernstfall selber dafür sorgen, dass die durch die Geldemission bei ihr entstandene Verbindlichkeit aus ihrer Bilanz verschwindet. Das kann zulasten ihres Gewinns oder ihres Eigenkapitals gehen. Daher hat sie ein großes Interesse, die Bonität ihrer Kreditkunden genau zu kennen.

Die Ausweitung der Marktgängigkeit von Geld auf der Basis einer Währung ist für die Geldnutzergemeinschaft überaus folgenreich. Sie wird als Ganze zur Leistungsschuldnerin gegenüber dem in Umlauf befindlichen Geld. Solche Expansion der Schuldnerschaft war schon beim Wechselverkehr ansatzweise erkennbar (s. oben genannter Beitrag). Nicht nur derjenige schuldet, der das Tilgungsversprechen ursprünglich abgab, sondern jeder Andere aus dem Kreis der Wechselnutzer. Beim Umgang mit Währungsgeld ist es ähnlich. Nur sind hier alle Mitglieder einer Geldnutzergemeinschaft Schuldner. Währungsgeld ist ein nichtspezifizierter Anspruch an das gesamte Güterangebot einer Wirtschaftsgemeinschaft.

Wenn ich Geld mein Eigen nenne, befinde ich mich auf Seiten der Gläubiger der Wirtschaftsgemeinschaft. Ich habe in der Regel – beispielsweise durch den Verkauf meiner Arbeitsleistungen oder meines Besitzes – meine Schuldigkeit für diese Gemeinschaft getan. Sobald ich das dabei verdiente Geld mein Eigen nenne, schuldet mir irgendein Anderer eine Sache oder eine Leistung. Im Grunde schulden mir die Anderen einen Anteil aus allem, was auf den Markt gelangt. Mit Währungsgeld trete ich völlig uneingeschränkt in den Gütertausch meines Handelskreises ein.

Zitierte Literatur:

Eckardt, Dietrich, Der Markt und seine Verzerrung, Berlin 2022

Hagen, Jürgen von und Stein, Johann Heinrich von (Hrsg.):  Obst /Hintner – Geld-, Bank- und Börsenwesen, 40. Aufl. Stuttgart 2000

Wagemann, Ernst, Was ist Geld?  Oldenburg 1932