Einfluss der „Tarifpartner“ auf die Inflation

Dietrich Eckardt (www.dietrich-eckardt.com; diteck@t-online.de)

Nicht nur das Verhalten der Banken kann die Preise in die Höhe treiben. Sachgüter können auch dann teurer werden, wenn flächendeckend und branchenübergreifend Lohnerhöhungen verabredet werden. Die ziehen nach den Verhandlungen der „Tarifpartner“ gewöhnlich Preiserhöhungen nach sich. Dieses Phänomen ist Gegenstand der Theorie über die sogenannte „LohnPreisSpirale“.
Sowohl die Gewerkschaften als auch die Unternehmen sind zwecks „Tarifverhandlungen“, d. h. zwecks Verhandlungen über die Arbeitslöhne, zu Kartellen vereinigt. Tarifkartelle sind Quasimonopole (s. mein Webbeitrag „Wettbewerb und Monopolismus“). Wegen der gebietsübergreifenden Macht dieser Monopole kann eine Erhöhung der Arbeitslöhne sofort auf die Güterpreise abgewälzt werden. Das heißt, das Wertegleichgewicht zwischen zirkulierender Geldmenge und dem Gesamtpreis der Realgüter pendelt sich relativ schnell wieder ein allerdings auf einem anderen Werteniveau.
Aufgrund der Absprachen der Tarifpartner wird eine Preisgestaltung bewirkt, bei der nur die keinen Schaden erleiden, die diesen Kartellen angehören. Alle anderen sind die Dummen. Der Vorteil der Kartellangehörigen geht zulasten der Restbevölkerung. Den Vorteil haben die Begünstigten aber nur, solange die Benachteiligten nicht nachziehen, d. h. für ihre Leistungen ebenfalls Lohnerhöhungen durchbringen. Kann dies aus irgendeinem Grunde nicht gelingen, entsteht die soeben erwähnte unerfreuliche Ressourcenumverteilung.
Die Benachteiligten solcher Umverteilung werden bald auf die Errichtung branchenübergreifender Großkartelle drängen. Die gesellschaftliche Entwicklung geht bereits in diese Richtung. Die Aktivitäten solcher Großkartelle zu Ende gedacht bieten ein amüsantes Bild:
Wir fingieren, die Angestellten eines Währungsgebiets seien zu einem Supertarifkartell vereinigt. Einmal im Jahr gehen alle protestierend auf die Straße (Fähnchen und Spruchbänder). Ihre Funktionäre treffen sich daraufhin mit den Funktionären der Unternehmenseigner, die gleichfalls zu einem Superkartell zusammengeschlossen sind. Beide Parteien verhandeln bis in die Nacht. Am Ende ist eine Lohnerhöhung beschlossen, von der alle profitieren sollen. Für Renten und sonstige OutmarketEinkünfte soll es Anpassungsklauseln geben. Nach erfolgreichem Abschluss sind alle glücklich. Sie feiern ein fröhliches Straßenfest (Lampions und Fackeln).
Allerdings: Nichts ist gewonnen. Ist nämlich arbeitslohnmäßig alles unter Dach und Fach, kann die entsprechende Preisanpassung bei den Arbeitsprodukten vorgenommen werden. Die Anpassung ist gerechtfertigt durch die nun höheren Arbeitskosten und ermöglicht durch den kartellbedingten Ausfall des Wettbewerbs. Jetzt sind nicht nur die Einkommen, sondern auch die Einkaufspreise höher ein kleiner Wehmutstropfen.
Ein vernünftiges Handeln ist bei solcher Gemengelage eigentlich gar nicht möglich. Im Gegenteil: Das Handeln artet aus in einen „Funktionärsradikalismus, der sich über erkennbare Folgen hinwegsetzt“ (Niklas Luhmann, 2019). Henry Hazlitt hat unwiderleglich gezeigt, dass und warum überregional vereinigte Gewerkschaften die Reallöhne nicht erhöhen können. „Der Glaube, dass sie das tun, geht auf eine Reihe von Selbsttäuschungen zurück“ (2009).
Die LohnPreisSpirale kann zweifellos mitbestimmend sein für eine Inflation. Momentan haben wir allerdings eine Situation, in der wegen unterschiedlicher anderer Faktoren eine derart rasante Preissteigerung bei den Sachgütern in Gang gebracht ist, so dass der Inflationsfaktor „LohnPreisSpirale“ quasi ausgehebelt erscheint. Die Gewerkschaften haben Mühe, bei ihren Lohnverhandlungen der Inflation hinterherzueilen und den Anschluss nicht zu verpassen. Der Einfluss der anderen Faktoren auf die Preisentwicklung ist so groß, dass das Anliegen der Gewerkschaften, bessere Löhne für ihre Mitglieder zu erzielen, bei zu geringer Kampfbereitschaft zur Farce wird.
Abgesehen vom unberechenbaren Käuferwillen (s. mein Webbeitrag „Inflation und Deflation“) kann die Inflation ausgelöst werden einerseits durch Unachtsamkeit bei der Bonitätsermittlung anlässlich der Darlehensvergabe bei Banken (s. mein Webbeitrag „Der Einfluss des Bankensystems auf die Inflation“), andererseits durch die mangelnde Bändigung des Monopolismus der Tarifkartelle (s. o.). Sollten eines Tages alle Banker professionell arbeiten – bei der Höhe ihrer Einkünfte sollte man das erwarten dürfen (Die Deutsche Bank hat laut FAZ vom 8.5.19 sage und schreibe 683 Mitarbeiter, die über eine Million Euro im Jahr verdienen) würde zutage treten, dass auch kartellmäßig zustande gekommene Tarifabsprachen für die Inflation verantwortlich sind.

Zitierte Literatur:
FAZ = Frankfurter Allgeneine Zeitung, Frankfurt 1949 ff
Hazlitt, Henry, Economics – Über Wirtschaft und Misswirtschaft, München 2009
Luhmann, Niklas, Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt/M. 2019