Dietrich Eckardt (www.dietrich-eckardt.com; diteck@t-online.de)
Die Begriffe „Wettbewerb“ und „Monopol“ werden oft als Gegensatzpaar hingestellt. Um aus der damit oft verbundenen ideologischen Aufheizung herauszukommen, ist es nützlich, sich auf die nüchterne Sicht des Max Weber (1968) zu besinnen, der die Begriffe lediglich als zwei Pole einer breiten Palette von realen Wirtschaftsformen begreift. Zwischen den Polen sieht er eine Reihe von Übergangsformen, die er beschreibt. Demgegenüber möchte ich die Aufmerksamkeit der Leser nur auf die beiden Pole richten und hier einige Wesenszüge herausarbeiten. Hat man den Unterschied der Wirtschaftsformen Wettbewerb und Monopol vor Augen, dann erkennt man, dass sich hier ein zentrales soziales Problem verbirgt. Das Problem ist nicht überall als solches gesehen und harrt noch der Lösung.
Jedes menschliche Individuum ist unabweisbar freiheitsbegabt (der Verf., 2021, Anhang 3). Dies hat Folgen auch für seine Rolle als Marktteilnehmer. Der Markt ist ein Gebilde menschlichen und nicht tierischen Handelns. Insofern hat er ein Hort unbehinderter Freiheit zu sein. Beim Tausch am Markt ist das Individuum aber nur dann frei, wenn Wettbewerb herrscht. Frei ist es hier deshalb, weil es beim Tausch/Kauf jederzeit Nein sagen und auf Mitbewerber ausweichen kann. Der Wettbewerb hat sich als diejenige Marktorganisation erwiesen, die der Freiheit am gemäßesten ist. Er ist Kern der sogenannten freien Marktwirtschaft. Die Marktwirtschaft koordiniert „das menschliche Handeln bei einem Minimum an Konsens und Zwang“. Sie „ist deshalb eine gute Ordnung, weil sie auch dann gut funktioniert, wenn wir nur Menschen und keine Heiligen sind“ (Erich Weede, 2003). Die Pointe des Wettbewerbs ist, keine Konstellation aufkommen zu lassen, die dem Individuum jene Macht entreißt, die ihm in seiner Rolle als Güterabnehmer zukommt.
Ein gut funktionierender Wettbewerb hat stets eine soziale Entmachtungsfunktion. „Der Wettbewerb ist das großartigste und genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“, sagt Franz Böhm (1980). Er „zerschlägt… die Macht des Menschen über den anderen Menschen“ (Christoph Braunschweig, 2012; auch Ulrike Ackermann, 2008). Der große Fortschritt der Entwicklung einer freien Marktwirtschaft war: „Sie hatte… die größte Reduzierung willkürlicher Gewalt mit sich gebracht, die jemals erreicht worden ist“ (Friedrich von Hayek, 1981 a).
Beim Wettbewerb kann ein Güteranbieter seine Preisvorstellung nicht unbehelligt durchsetzen. Seine Preisbildung ist zunächst zwar prinzipiell frei. Aber schnell wird ihm klar: Die Güterabnehmer und seine Mitbewerber zügeln seine Freiheit. Im Wettbewerb ist der Produzent „pricetaker“. Der Wettbewerb zerstört Traumpreise. Dennoch ist der ökonomische Kinderglaube, der Preis werde letztlich von der Produktion her bestimmt, z. B. von den Herstellungskosten, unausrottbar. Es gleichen sich am Markt zwar Preis und Grenzproduktionskosten einander an. Dort besteht immer die Tendenz, dass sich intersubjektiv verbindliche Preise bilden, die sogenannten „Marktpreise“. Aber auch die entstehen im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Dabei hat der Nachfrager das letzte Wort.
Mit seiner Macht über die Preisgestaltung sichert der Wettbewerb die Freiheit aller Tauschpartner – allerdings nur immer in deren Rolle als Güterabnehmer. In ihrer Rolle als Güteranbieter sind sie unfrei, weil sie sich dem Bedarf der Abnehmer beugen müssen. Andernfalls könnten sie am Markt nicht bestehen (s. mein Forum-Beitrag „Das Ich als Subjekt einer freien Wirtschaftsgemeinschaft).
Beim Wettbewerb hat jeder Tauschpartner die Kontrolle über das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Tausch. Zwischen den Tauschpartnern herrscht in dieser Hinsicht prinzipiell Gleichheit, und zwar sowohl in Bezug auf die Freiheit (in ihrer Rolle als Güterabnehmer) als auch in Bezug auf die Unfreiheit (in ihrer Rolle als Güteranbieter). Beim Wettbewerb dominiert nicht immer nur ein Tauschpartner – als sogenannter „König Kunde“ – sondern beide. Denn jeder ist der „König“ des anderen. Wegen der Bilateralität des Tausches ist jeder Tauschpartner Güteranbieter und Güterabnehmer zugleich.
Wir übersehen diesen Sachverhalt oft, weil wir nur immer von dem Tauschpartner als vom Kunden sprechen, der das Tauschgut Geldbeibringt. Ein solcher Kunde ist dann überrascht und irritiert, wenn sein Sachgutanbieter das Angebot zurückzieht, weil ihm die Tauschmodalitäten seines Handelspartners (Geld-Anbieters) nicht passen. Erst so wird bewusst, dass auch derSachgutanbieter Güterabnehmer ist (nämlich Geld-Abnehmer) und in dieser seiner Abnehmerrolle gleichfalls „König“. Das bedeutet: Im Wettbewerb mit anderen Anbietern muss ein Geldanbieter schlicht besser sein als die Anderen. Er muss u. U. für ein gewünschtes Sachgut mehr bieten als die Anderen. „Wettbewerb äußert sich auf dem Markt in der Weise, dass die Käufer den übrigen Kauflustigen durch das Angebot höherer Preise, und dass die Verkäufer den übrigen Verkaufslustigen durch das Fordern niedrigerer Preise bei gleicher Leistung oder durch Erhöhung der Leistung bei gleicher Preisforderung zuvorzukommen haben“ (Ludwig von Mises, Nachdruck 1980).
Es gibt bei jedem Tausch/Kauf also stets zwei Kunden-„Könige“. (Das gilt nicht für den Handel mit Monopolen! s. u.). Jeder Tauschpartner ist Kunde des anderen, allerdings nur immer in seiner Rolle als Güterabnehmer. Viele machen sich nicht klar, dass sie am Markt stets – ob als Güterabnehmer oder als Güteranbieter – in vollem Sinne als Kaufleute auftreten. Die Bezeichnung „Kaufmann“ darf nicht auf diejenigen beschränkt sein, welche Sachgüter anbieten, sondern muss auch die Geldanbieter mit einbeziehen.
Das im Kontext mit der Kundschaft verwendete Wort „König“ deutet an: am Markt geht es nicht nur um ökonomische, sondern auch um Machtverhältnisse. Der Markt ist per se eine Stätte der Machtausübung und somit derAusbildung von Herrschafts-Knechtsschafts-Strukturen. Für diese Erkenntnis ist es zunächst unerheblich, ob die Machtausübung menschenwürdig ist oder nicht. Genauere Analysen werden darüber Aufklärung bringen (s. u.).
Weil beim Prüfen und Bewerten des Angebots („checking“) beide Tauschpartner zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der Tausch für sie vorteilhaft ist und weil andernfalls jeder den Tausch auch unbeschadet abbrechen können muss, kann man sagen, das Herrschafts-Knechtsschafts-Verhältnis bei dem einen Tauschpartner steht mit dem des anderen im Gleichgewicht („balance“).
Freie Güterbewertung („checking“) und Gleichgewichtigkeit in Bezug auf Herrschaft und Knechtschaft („balance“) sind die untrüglichen Merkmale eines gut funktionierenden Wettbewerbs. Im Wettbewerb greift überall das Prinzip „checks and balances“. – Murray Rothbard ( 2012) ist meines Wissens der erste, der die früher schon anderwärts gebrauchte Redewendung speziell für ökonomische Sachverhalte verwendet. Die Redewendung hat dadurch im Vergleich zum gewöhnlichen (tradierten) Gebrauch einen deutlichen Sinneswandel erfahren.
Das Prinzip „checks and balances“ verlangt, dass es beim Tausch jeweils zwei „Kunden-Könige“ gibt. Weil jeder Tauschpartner auch Güterabnehmer ist, ist er in dieser Rolle Herr des Geschäfts. In seiner anderen Rolle – als Güteranbieter – ist er gewissermaßen Knecht. In der Rolle des Güteranbieters ist derselbe Tauschpartner Knecht des anderen in dessen Rolle als Güterabnehmer. Das Prinzip „checks and balances“ sorgt dafür, dass das Herrschafts-Knechtsschafts-Verhältnis zwischen den Tauschpartnern ein gegenseitiges ist.
Beim Wettbewerb sind beide Tauschpartner Güterabnehmer und in dieser Rolle frei. Sie sind aber zugleich auch Güteranbieter und in dieser Rolle unfrei. Diese für die Optimierung des individuellen Lebens aller Marktteilnehmer wichtige Konstellation diszipliniert den sonst ins Unermessliche wachsenden Machtrausch der Tauschpartner in ihrer Rolle als Produzenten.
Die Freiheit der Güterabnehmer beruht darauf, dass sie sich von bestimmten Güteranbietern abwenden und Mitanbietern zuwenden können (s. o.). Sie können ein Leistungsangebot verweigern, ohne Einbußen ihrer Lebensentfaltung. So haben sie großen Einfluss auf das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Tausch. Deshalb müssen sie aber auch „ein eigennütziges Interesse an der Freiheit der anderen“ haben (Erich Weede, 2003). Denn auch die Anderen treten erst dann in den Tausch ein, wenn sie einen Vorteil für sich sehen.
Der Wettbewerb und sein Prinzip (checks and balances) ist nicht nur die Bedingung der Möglichkeit eines freien Marktes. Infolge dieses Prinzips bieten sich weitere Vorteile. Z. B. steigert der Wettbewerb auch die Qualität der Tauschgüter und optimiert dadurch die Preis-Leistungs-Verhältnisse. Ohne Leistungswettbewerb, ohne Konkurrenz schliefen viele Leute besser, aber wir alle lebten schlechter. „Obwohl also der Wettbewerb für jeden Einzelnen lästig und schädlich ist, so ist er doch für alle zusammen eine Wohltat“ (Wolfram Engels, 1995).
Der Zusammenhang zwischen Wettbewerb und individueller Wohlfahrt wurde neben Anderen vor allem von Ludwig Erhard herausgestellt. Seine ökonomische Philosophie war von großem Erfolg gekrönt. Das spricht für ihre Phänomenadäquanz. „Das erfolgversprechendste Mittel zur Erreichung und Sicherung jeden Wohlstands ist der Wettbewerb. Er allein führt dazu, den wirtschaftlichen Fortschritt allen Menschen, insbesondere in ihrer Funktion als Verbraucher, zugutekommen zu lassen, und alle Vorteile, die nicht unmittelbar aus höherer Leistung resultieren, zur Auflösung zu bringen. Auf dem Wege über den Wettbewerb wird eine Sozialisierung des Fortschritts und des Gewinns bewirkt und dazu noch das persönliche Leistungsstreben wachgehalten“ (2009).
Der Wettbewerb korrigiert unter anderem auch die Angebotsplanung. „Es ist eine der Hauptaufgaben des Wettbewerbs zu zeigen, welche Pläne falsch sind.“ (Friedrich August von Hayek, 1981 a). Damit minimiert er die Verschwendung von Ressourcen. Die optimale Ressourcenallokation ist einer der größten Vorteile des Wettbewerbs. Sie kommt letztlich allen Marktteilnehmern zugute.
Dass Wettbewerb gnadenlos sein kann, ist wahr. Das ist er vor allem für jene Tauschpartner, die falsche Vorstellungen über den Preis ihrer Leistung bzw. über deren Marktgängigkeit haben. Die Auffassung, Konkurrenz sei ein „Gift für die zwischenmenschliche Beziehung“ ist vor dem Hintergrund des soeben Gesagten geradezu grotesk. Gewiss ist eine Wettbewerbswirtschaft nicht in jeder Hinsicht vollkommen. Aber „die Vorteile des Wettbewerbs hängen nicht davon ab, ob er ‚vollkommen’ ist“ (Friedrich August von Hayek, 1981b).
Wettbewerb bedeutet zweifellos Kampf. Wer die Bedürfnisse der Anderen nicht im Blick hat, geht in diesem Kampf unter. Der Kampf beim Wettbewerb ersetzt Krieg und Gewalt. Je mehr der freie Leistungswettbewerb als die einzige vernünftige Form des individuellen Kräftemessens in das Bewusstsein der Menschen rückt, desto mehr verlieren gewaltsame Waffengänge ihre Überzeugungskraft. Der Wettbewerb ist gewissermaßen die kultivierte Form des Krieges. Wo Wettbewerb verkümmert, tut jeder gut daran, sich zu bewaffnen.
Nun gibt es auf dem Markt Vorgänge, durch die der Wettbewerb ausfällt. Selbst dort, wo die Marktteilnehmer danach streben, überall Konkurrenz zu haben, ist zu beobachten, dass der Wettbewerb sich immer wieder verflüchtigt bzw. von vorneherein nicht vorhanden bzw. gar nicht erwünscht ist. Wo Wettbewerb schicksalhaft oder gewollt ausfällt, beginnt das Regiment des Monopolismus.
Im Wettbewerb bevorzugen wir bestimmte Güterhersteller, und zwar immer die mit dem besten Angebot. Das kann so weit führen, dass alle Mitbewerber eines Anbieters vom Markt verschwinden und der von uns regelmäßig Ausgewählte am Ende eine Monopolstellung innehat. So sind es wir Güterabnehmer, die einigen Güterlieferanten den Sieg über ihre Mitbewerber verschaffen. Sie werden über kurz oder lang zu Monopolisten. Wir in unserer Rolle als Güterabnehmer erzeugen also aus dem Wettbewerb heraus Monopolismus. Wenn Bill Gates eines Tages ein Monopol haben sollte, werden wir es gewesen sein, die ihm dazu verholfen haben.
Innerhalb des Tauschgeschehens gibt es unterschiedliche Konstellationen, wie Wettbewerb sich in Monopolismus verwandelt. Monopole bilden sich z. B., wenn im Wettbewerb ein Güteranbieter den Sieg über seine Mitbewerber erringt und es ihm gelingt, seine Marktmacht so weit zu stabilisieren, dass die Mitbewerber keine Chance gegen ihn haben. Oder sie bilden sich, wenn Wettbewerb den Tauschgutanbietern von vorneherein als sinnlos erscheint oder wenn Mitbewerber aufgeben, oder wenn es Betriebszusammenschlüsse gibt, oder wenn Konkurrenten ermüden oder bezwungen werden. Es gibt das Ableben von Betriebseignern, den Betriebsverkauf, die Insolvenz und die Betriebsaufgabe mangels Nachfolge. Manche genießen über Jahre hinaus einen Urheberrechtsschutz. Andere bauen sich auf dem Weg einer gezielten Strategie ein Alleinstellungsmerkmal am Markt auf. Die enge Verklammerung von Wettbewerb und Monopol, die sich in den soeben aufgeführten Beispielen andeutet, ist essentiell.
Nicht nur von Nutzerseite, sondern auch von Anbieterseite aus besteht eine Tendenz hin zum Monopolismus. Jeder Mensch hat seinen (gesunden!) Egoismus und verspürt den Drang in sich, das eigene Leben möglichst voluminös zum Erblühen zu bringen. Dieser Sachverhalt ist bekannt und nicht umstritten. Überall im Leben eifert der Mensch danach, sich eine Alleinstellung vor den Anderen zu erobern. Walter Eucken erkennt: Bei allen Menschen ist „ein tiefer Trieb zur Beseitigung der Konkurrenz und zur Erwerbung von Monopolstellungen… lebendig“ (1990). Der natürliche Drang, sein Ego auszuweiten, erfordert auch in wirtschaftlicher Hinsicht, die Anderen möglichst weit hinter sich zu lassen.
Wir streben, sofern wir uns mit unseren Ressourcen im Wettbewerb befinden, wie selbstverständlich nach dem Sieg über die Anderen. Und das sollen wir auch. Wozu sonst Wettbewerb? Manchmal gehen wir als Sieger hervor. Die anderen sind bezwungen. Wenn sie den Konkurrenzkampf nicht überstehen, sind wir Monopolist. Wenn es jemandem gelingt, uns vom Siegertreppchen wieder herunter zu stoßen, steigt er dort hinauf. Wenn es für ihn gut läuft, schafft er es, seine Monopolstellung zu stabilisieren und über lange Zeit hin zu erhalten.
Wettbewerb ist wesensmäßig dazu angelegt, Sieger hervorzubringen. So ist er schon aus sich selbst heraus darauf aus, Monopole zu schaffen. Unser Egoismus in Verbindung mit unserem freien Willen treibt uns dahin, aus dem Wettbewerb immer wieder Monopole zu erzeugen. Aber in der Wirtschaft machen sich die Sieger – im Gegensatz zum Sport oder zum Krieg – nicht selbst, sondern sie werden durch andere (als rational handelnde Tauschpartner) dazu gemacht – durch die Auswahl und den Kauf ihrer offenbar wertvollen Produkte. Hierin liegt auch das Risiko für den Monopolisten. Denn Monopole können zwar hohe Preise für eventuell niedere Qualität erzielen. Aber wo es viel zu holen gibt – und das ist so bei hohen Preisen – und wo es mangelnde Qualität gibt, haben wieder die Mitbewerber eine Chance. Die Furcht davor zügelt die Preisbildungsfreiheit des Monopolisten.
Monopole können wirtschaftlich miteinander verbunden sein: zu sogenannten Monopolkonzernen. In Monopolkonzernen potenziert sich die ökonomische Macht, welche die Monopole aufgrund ihrer Alleinstellung am Markt ohnehin schon haben. Nahezu unangreifbar werden diese Konzerne, wenn sie eine Einheitskasse haben. Eine solche Kasse erlaubt, die Finanzmittel so hin und her zu schieben, dass Mitbewerber – falls sie eines der dort vereinigten Monopole angreifen wollen – kaum eine Chance haben.
Jeder Konzern ist ein multifunktionales Gebilde. Er kann die unterschiedlichsten ökonomischen Bereiche abdecken. Er kann sogar, muss aber nicht, eine einheitliche Kassehaben. Die Einnahmen, die in die Einheitskasse fließen, werden zwar oft mittelgetrennt erhoben, müssen aber nicht mittelgebunden verwendet werden. Und so fließen die Kassenbestände überall dorthin, wie es der Konzernleitung gerade passt. So können einige Konzernteile sehr hohe Preise verlangen, um es anderen Teilen, die im Wettbewerb stehen, zu ermöglichen, durch Preisdumping ihre Mitbewerber auszuschalten und auf diese Weise ebenfalls Monopole zu werden.
Zu den Monopolen zählen solche, die nicht aus dem Wettbewerb herauswachsen, sondern absichtlich geschaffen werden. Sie entstehen auf kriminelle Art mit dem Ziel, Wettbewerb künstlich zu beseitigen. In betrügerischer Absicht verabreden sich ursprünglich im Wettbewerb stehende Güteranbieter, sich gegenseitig preislich nicht zu unterbieten. So entstehen Kartelle – eine besonders unrühmliche Erscheinungsform des Monopolismus. Kartelle sind zu unterscheiden von Konzernen. Während Kartelle Betriebszusammenschlüsse darstellen, die ein gleichesLeistungsfeld abdecken, können bei Konzernen Einzelbetriebe mit unterschiedlichen Leistungssequenzen zu einem einheitlichen Gebilde verschmolzen sein.
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An den bisherigen Ausführungen wird bereits erkennbar, dass mit dem Auftreten des Monopolismus ein Gefahrenpotential bezüglich der natürlichen Abläufe am Markt verbunden ist, und zwar hinsichtlich der Machtbeziehungen der Tauschpartner untereinander. Welche Gefahren entstehen beim Wegfall des Wettbewerbs?
Weil im Wettbewerb jeder Tauschpartner „König“ eines Anderen ist (s. o.), ist eine in deren Sinne wünschenswerte Herrschafts- und Machtverteilung gegeben. In ihrer Rolle als Güterabnehmer haben sie die Macht über ihre Tauschpartner in deren Rolle als Güteranbieter. Aufgrund der Bilateralität des Tausches haben im Wettbewerb alle Tauschpartner diese Macht. Damit ist gesichert, dass kein Tauschpartner die Anderen unterdrückt. Während hier ein gegenseitiges Herrschafts-Knechtsschafts-Verhältnis zwischen den Tauschpartnern besteht, ist das Verhältnis beim Tausch mit Monopolen einseitig. Der Monopolist ist der alleinige Herr, sein Tauschpartner der alleinige Knecht. Das ausgeglichene Herrschafts-Knechtsschafts-Verhältnis, so wie wir es überall dort finden, wo das Prinzip „checks and balances“ herrscht, fehlt beim Handel mit Monopolen. Monopolismus vernichtet die „balance“ beim Tausch.
Auf die Preise der Monopolgüter mögen die unterschiedlichsten Faktoren Einfluss haben. Eines kann jedoch nicht ausgeschlossen werden: die Preis- und Qualitätsgestaltung der Monopolgüter zulasten der Güterabnehmer. Normalerweise ist das Preis-Leistungs-Verhältnis immer Sache einer Verhandlung zwischen den Tauschpartnern. Beim Tausch mit Monopolen entfällt die Verhandlung. Die Preisbildungsmacht verschiebt sich ganz auf die Seite des Monopolisten. Damit dominiert er das Tauschgeschehen.
Wo Wettbewerb herrscht, kann jeder zum Angebot seines Partners auch Nein sagen. Nein sagen zu können, ist das untrügliche Kennzeichen für Freiheit. Anders verhält es sich beim Tausch mit Monopolen, und zwar vor allem mit solchen, die ein unentbehrliches Gut liefern, z. B. Trinkwasser. Hier haben die Tauschpartner in ihrer Rolle als Güterabnehmer keine Alternativen. Sie können nicht Nein sagen, weil sie – wenn sie keinen eigenen Brunnen haben – nicht ausweichen können. So sind sie bezüglich der Marktmacht des Wasserlieferanten prinzipiell unterlegen.
Bei der Untersuchung des Monopolismus gilt es, verschiedene Aspekte zu unterscheiden (s. Ludwig von Mises, Nachdruck 1980), je nachdem, welchen Blickwinkeln man einnimmt (Macht, Preis, naturbedingte Alleinstellung usw.). Wir wollen hier aus bestimmten Gründen (s. der Verf., 2021 a) dem Machtaspekt den Vorzug geben. Die Größe der Macht eines Monopols über seine Güterabnehmer richtet sich nach dem Grad der Dringlichkeit, mit der die Güter gebraucht werden. An dieses Faktum schließt sich die folgende Überlegung an. Sie verlangt, zwei Formen des Monopolismus auseinander zu halten. Das sind zwar auch nur wieder zwei Pole, zwischen denen sich Abstufungen befinden. Aber die genauere Kenntnis ihrer Merkmale erlaubt Einblick in das Gesamtgeschehen.
Jede entwickelte Gesellschaft – auch eine unfreie – ist leistungsteilige Tauschgesellschaft. Ihre Dynamik erwächst aus den leiblichen Bedürfnissen der Menschen. Das gilt nicht nur für die Nutzung individuell angebotener Güter, sondern auch für die Nutzung der sogenannten kollektiven Güter („public utilities“). Kollektive Güter sind solche, die jeder, der sich in ein bestimmtes Territorium (als Wohnbereich) hineinbegibt, nutzen muss, z. B. Wasser, Verkehrsnetze, Rechtsschutz, Landesverteidigung. Das Herbeischaffen dieser Güter ist in der Regel das Betätigungsfeld von Monopolen. Solche Monopole sind – wegen der Unabdingbarkeit ihrer Leistungen – obligate Monopole. Obligate Monopole sind solche, deren Güterangebot jeder, der in die Lebenswelt einer bestimmten Menschengruppe eintritt, entweder potentiell oder real nutzt.
Aber auch außerhalb des obligaten Monopolismus entstehen Monopole. In einer leistungsteiligen Tauschgesellschaft kommt es immer wieder vor, dass Wettbewerb auf ganz natürliche Weise ausfällt (s. o.). So können sich aus ursprünglichem Wettbewerb heraus Monopole bilden. Die sind aber nur wegen ihrer zufälligen Entstehung (a. a. O.) vorhanden und eigentlich nicht gerechtfertigt. Sie sind nicht gewollt und auch nicht notwendig. Höchstens werden sie hingenommen. Sie sollten deshalb nichtobligate Monopole heißen.
Monopolismus ist an sich keine Verzerrung der Wirtschaft. Er gehört zu jeder real funktionierenden Wirtschaft hinzu, wie wir oben sehen konnten. Dennoch trägt er das Potential einer Verzerrung in sich. Die Machtposition eines Monopols kann die natürlichen Verhältnisse innerhalb einer Wirtschaftsgemeinschaft sogar auf den Kopf stellen. Weil einige Monopole Güter anbieten, welche die Konsumenten für ihre Lebensentfaltung dringend brauchen (z. B. ein Trinkwassernetz), kann dies aufgrund der Marktmacht des Monopolisten zu gravierenden Ressourceneinbußen bei seinen Tauschpartnern führen. Diese stehen in der Gefahr, überhöhte Preise bezahlen zu müssen.
Monopole sind wie Kobolde, die immer wieder aus dem Wettbewerb auftauchen. In einigen Fällen ist das relativ harmlos. Jedoch kann ihre Machtposition zu einer Erscheinung führen, die gewöhnlich als Wucher bezeichnet wird. Wucher ist eine besondere Form der Ausbeutung. Beim Wucher ist die „König-Kunde“-Position der Güterabnehmer ausgehebelt. Das ist eine für das Zusammenleben von Menschen abträgliche Situation. Gerade obligate Monopole sind für Wucher und Ausbeutung besonders anfällig. Die Macht dieser Monopole übertrifft alle anderen Mächte innerhalb der Gesellschaft. Denn ihr Tauschgut wird dringend gebraucht. Deshalb sind ihre Güter am Markt immer absetzbar, im Prinzip zu einem beliebigen Preis. Bei obligaten Monopolen schlägt das Wucherpotential des Monopolismus unter Umständen voll durch.
Der einschränkende Einfluss des Wuchers auf das Leben der monopolabhängigen Tauschpartner kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er behindert die Lebensentfaltung ungebührlich, weil er die Ressourcen dafür schmälert. Wucher ist ein tiefer gehender Eingriff in das individuelle Leben als man zunächst geneigt ist zu glauben. Das Kommando über ein obligat-monopolistisches Leistungsfeld ist das Kommando über das menschliche Leben schlechthin. Wucher kann daher zum Martyrium werden. – Allein schon die Gefahr des Wuchers steht dem Bestreben nach Freiheit entgegen, ganz unabhängig davon, ob Wucher real praktiziert wird.
Wucher ist nicht immer ein kriminelles Vergehen. Norbert Walter ist nicht beizupflichten, wenn er in jedemWucher ein „Delikt“ sieht (1995). Wucher kann „lediglich zur Grundlage eines Schadensersatzanspruchs“ gemacht werden (Friedrich von Hayek, 1981 b). Wucher ist eine von den Tauschpartnern des Monopols nicht beeinflussbare, aber moralisch völlig indifferente, wenn auch sehr unerfreuliche Preisgestaltung. Wucher entsteht schlicht aus dem Umstand, dass Preis und Qualität der gebotenen Leistung einseitig bestimmt werden können.
Es gibt relativ harmlose Folgen des Wuchers. Wie oft kommt es vor, dass der agile Inhaber einer Landbäckerei die Bäckereien der Nachbardörfer aufkauft, weil dort die Betreiberfamilien keine Nachkommen haben, oder weil deren Betrieb aufgrund eines Konkurses untergeht, oder weil der Besitzer durch einen Unfall, aus Altergründen oder wegen Wegzugs aufgibt? Die Landbäckerei errichtet dann überall dort Filialen und erringt damit eine regionale Monopolstellung. Um einem eventuellen Preisdiktat zu entkommen, muss die ortsansässige Kundschaft weite Wege zurücklegen, was Extrakosten und Zeitverluste verursacht. Das tun sie oft nicht und akzeptieren die höheren Preise Es kann also auch ein regionaler Monopolist wuchern, wenn auch nur im Kleinen.
Das Übel eines wuchernden Monopolbetriebs ist oft nicht die vermeintliche Bösartigkeit seiner Betreiber. Die Nachteile für die Tauschpartner erwachsen nicht immer aus der „Gier ruchloser Monopolisten“. Die heute viel häufigeren Entstehungsgründe für Wucher sind Misswirtschaft, Verschwendung und Privilegien, in der Regel auch das Fehlen ökonomischer Professionalität bei den Monopolbetreibern. Diese Erscheinungen verursachen unter dem Strich unangemessene Preise für die Nutzer. Das würde im Wettbewerb sofort zum Kollaps führen. Ein Monopol überlebt damit, mag es ökonomisch noch so verlottert sein – wie mancher Anbieter kollektiver Güter.
Vielfach sind Monopole zu Konzernen zusammengeschlossen (s. o.). Monopolkonzerne beherrschen ganze Leistungsfelder. In einem Monopolkonzern potenziert sich das, was an Gefahrenpotential in einem Monopol ohnehin schon enthalten ist. Das Potential erfährt eine zusätzliche Steigerung noch dadurch, dass im Konzern eine Einheitskasse vorhanden ist (s. o.). Gegenüber einer solchen Situation sind die wirtschaftenden Individuen nahezu ohnmächtig.
Wenn ein Konzern eine Einheitskasse hat, folgt daraus, dass es eine feste Mittelbindung der Finanzen nicht geben muss. Die beliebige Mittelverwendung kann gezielt dafür genutzt werden, den Wettbewerb auszuschalten und den Monopolismus auszuweiten. So kann ein Monopolkonzern mit Einheitskasse am Ende ganze Leistungsfelder beherrschen.
Neben der Wettbewerbsvernichtung ermöglicht eine solche Einheitskasse eine weitere Form des ökonomischen Vandalismus, verharmlosend Intervention oder Subvention genannt. Subventionen bedingen überhöhte Preise dort, wo die Mittel eingenommen werden. Sie bewirken niedrige Preise dort, wo die Mittel hinfließen. Insofern kann ein Monopolkonzern mit Einheitskasse seine Macht dazu nutzen, bestimmte Wirtschaftssubjekte durch Entgelterlass zu bevorzugen, andere durch ungebührliche Entgeltbelastung zu benachteiligen. Subventionismus bedeutet: Güterabfluss bei bestimmten Konzernnutzern zugunsten eines Güterzuflusses bei anderen. Dadurch wird die Abgeltung der Konzernleistungen verzerrt. Es findet eine marktfremde Allokation statt. „Die Folge ist…, dass Kapital und Arbeit aus Branchen verdrängt werden, in denen sie wirtschaftlicher eingesetzt werden können, um in Industrien umgeleitet zu werden, wo sie nicht so rentabel arbeiten können. Es wird weniger Wohlstand geschaffen. Der durchschnittliche Lebensstandard fällt unter das Niveau, das er sonst erreicht hätte“ (Henry Hazlitt, 2009).
Bei einem Monopolkonzern mit Einheitskasse sind die Tauschpartner also nicht nur mit der Gefahr des Wuchers konfrontiert, sondern außerdem noch mit der Gefahr des Subventionismus. Beides führt zur Ausbeutung – entweder aller Monopolnutzer (Wucher), oder eines Teils von ihnen (Subventionen).
Ein weiterer Gesichtspunkt im Hinblick auf Monopolkonzerne sollte nicht unerwähnt bleiben: Sie stellen nicht nur eine eigentumsschädigende Machtkonzentration wegen ihrer autokratischen Preisgestaltung dar. Sie wirken sich auch auf die Leistungsqualität der in ihnen zusammengeschlossenen unterschiedlichen Einzelbetriebe aus, und zwar negativ.
Schon lange ist bekannt, dass bei Wirtschaftsleistungen erst die Aufteilung in spezielle Fachgebiete und das „Aussterben der Tausendkünstler“ die „ökonomische Barbarei“ beendet. Dann nämlich „ersetzt der Fachmann den Stümper“ sieht schon Immanuel Kant. Dass Kants Auslassungen heute noch aktuell sind, belegen die Untersuchungsergebnisse des Bonner Unternehmensberaters Rüdiger May. Er hat die Anforderungen an den deutschen Bundeskanzler, der den Staatskonzern leitet, analysiert. Dabei hat er auch geprüft, wie es mit deren Erfüllung bestellt ist („Der Manager der Republik“ im SPIEGEL, Nr. 20/ 1994). Das Ergebnis ahnt selbst der ökonomische Laie.
„Wie, kennt man nicht die Wirkungen des Monopols?“ fragte schon der geistige Vater der französischen Revolution, Emmanuel de Sieyès (Nachdruck 1968). „Weiß man nicht, dass es die einen, die es ausschließt, niederdrückt, während es die anderen, die es begünstigt, untüchtig macht? Weiß man nicht, dass jede Arbeit teurer und schlechter wird, wenn man sie dem freien Wettbewerb entzieht?“
Zitierte Literatur.
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Braunschweig, Christoph, Die demokratische Krankheit – Der fatale Teufelskreis aus Politikerversprechen und Wähleranspruch, München 2012
Eckardt, Dietrich, Freie Persönlichkeitsbildung – Eine Alternative zum heutigen Bildungsbetrieb, Berlin 2021
Eckardt, Dietrich, Die Bürgergesellschaft – Ein Gegenwurf zur Staatsgesellschaft, Berlin 2021a
Engels, Wolfram, Der Kapitalismus und seine Krisen – Eine Abhandlung über Papiergeld und das Elend der Finanzmärkte, Düsseldorf 1996
Erhard, Ludwig, Wohlstand für alle, Köln 2009
Eucken, Walter, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen 1990
Hayek, Friedrich August von, Die Illusion der sozialen Gerechtigkeit, Landsberg/Lech 1981a
Hayek, Friedrich August von, Die Verfassung einer Gesellschaft freier Menschen, Landsberg/Lech 1981b
Hazlitt, Henry, Economics – Über Wirtschaft und Misswirtschaft, München 2009
Kant, Immanuel, Werke in sechs Bänden, herausgegeben von Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1966
May, Rüdiger, Wo bleibt unser Geld? – Verschwendung der Steuergelder, Düsseldorf 1976
Mises, Ludwig von, Nationalökonomie – Theorie des Handelns und Wirtschaftens, Nachdruck München 1980
Rothbard, Murray Newton., Für eine neue Freiheit – Kritik der politischen Gewalt, 2 Bände, Hrsg. Stefan Blankertz, Berlin 2012
Sieyès, Emanuel Joseph de, Was ist der Dritte Stand? (Hrsg. Rolf Helmut Foerster) Frankfurt/M. 1968
Walter, Norbert, Ethik + Effiziens = Marktwirtschaft in: Roland Baa-der (Hrsg.), Wider die Wohlfahrtsdiktatur, Gräfelfing 1995
Weber, Max, Soziologie – Weltgeschichtlich Analysen – Politik, Hrsg. Johannes Winckelmann, Stuttgart 1969
Weede, Erich, Mensch, Markt und Staat, Stuttgart 2003