Dietrich Eckardt (www.dietrich-eckardt.com; diteck@t-online.de)
Die Güter, die wir alle mehr oder weniger nutzen, sind die sogenannten kollektiven Güter: Stromnetze, Verkehrsnetze, Polizei, Militär, Gerichte usw. Die derzeit existierenden Wirtschaftsgemeinschaften sind so organisiert, dass ein Großteil dieser Güter von einem einzigen Betrieb erbracht wird. Wir nennen ihn Staat. Bestimmte Leistungsbereiche innerhalb der Gesellschaft, bei denen es als sinnvoll oder notwendig erschien, sie zu zentralisieren, übernahm im Laufe der Zeit der Staat. Dadurch wuchsen ihm mannigfache Aufgaben zu. Er wurde zu einem gewaltigen Wirtschaftsbetrieb.
Man kann den Presseleuten ja Vieles vorwerfen, bei manchen Wortfindungen beweisen sie Instinkt. Der schon vor Jahren geprägte Ausdruck „Baden-Württemberg-GmbH“ (damals mit Lothar Späth an der Spitze) bezeichnet treffend die Organisationsstruktur eines modernen, vom Zeitgeist als mustergültig eingestuften Staatsgebildes. Der deutsche Kanzler Helmut Schmidt bezeichnete sich einmal als „Vorstandsvorsitzenden der Deutschland AG“. Auch die Wochenschrift FOCUS verwendet gern das Wort „Deutschland AG“ (z. B. in der Ausgabe 20/2020).
Der Staat als wirtschaftliches Gebilde ist Fakt. Er mag viele Seiten haben. Vom ökonomischen Standpunkt aus gesehen ist er ein Unternehmen. Wie jedes andere Unternehmen liefert er Güter und Dienstleistungen. Wie jedes andere ist er Leistungsanbieter und Leistungsempfänger in einem. Er bringt Güter in die Gesellschaft ein. Und er verlangt dafür Gegenleistungen. Der Umgang der Bürger mit dem Staat ist ein Handel, nämlich der Tausch Sachgüter und Sachleistung gegen Geld.
Die neuerliche Imagepflege der Staatslenker, vor allem auf kommunaler Ebene, sich als nützliche und kundenorientierte Dienstleister zu geben und ihre Legitimation daraus zu schöpfen, erleichtert diesen entmystifizierenden Blick auf den Staatsapparat noch. Ich denke, dass uns dessen nüchterne Einordnung in das ökonomische Gesamtgeschehen hilft, wenn es um die Entscheidung darüber geht, ihn als Güterlieferanten innerhalb der leistungsteiligen Tauschgesellschaft zu beurteilen, zu legitimieren, zu dulden oder zu verwerfen
Als Betrieb steht der Staat mit anderen Betrieben nicht im Wettbewerb. Staaten sind überall nationale Monopolisten, und dies in vielerlei Hinsicht. Heute bewirtschaften Staatsfunktionäre den größten und vielgestaltigsten Monopolbetrieb der Gesellschaft. Der staatliche Monopolismus reicht bis in die tiefsten gesellschaftlichen Bereiche hinein. Schon auf kommunaler Ebene ist er voll präsent. – Nun ist der Staat aber kein Monopolist unter vielen anderen, sondern derjenige, welcher alle anderen unangefochten überragt. Nicht nur das! Innerhalb seines Territoriums ist er auch der gefährlichste und mächtigste unter allen. Er ist es nicht nur wegen seiner schieren Größe, sondern auch deshalb, „weil dieser Fall des mächtigsten Monopols zugleich derjenige ist, der am meisten mit Phrasen verhüllt werden kann“ (Wilhelm Röpke, 1958).
Der Staat mag vieles andere auch sein, von ökonomischer Warte aus gesehen ist er Monopolist.Er ist sogar ein Monopolkonzern, der mit seinen Gütern weite Leistungsbereiche abdeckt. Der deutsche und der französische Staat und viele andere auf der Welt sind aber nicht nur Konzerne schlechthin, sondern Konzerne von Konzernen. Sie sind riesige Wirtschaftsgebilde, die oft die Hälfte aller Finanzmittel der Volkswirtschaft umwälzen. In der Regel haben sie eine einheitliche Kasse. Der Staat ist ein Monopolkonzern mit Einheitskasse (s. mein früherer Beitrag „Wettbewerb und Monopol“). Der Mittelzufluss in seine Kasse geschieht nicht aufgrund ordentlicher und verbraucherbezogener Rechnungsstellung, sondern aufgrund eines Pauschalinkassos. Das Inkasso orientiert sich vielfach nicht an der Höhe des Leistungsverbrauchs, sondern an den individuell verfügbaren Ressourcen. Die Abnehmer staatlicher Dienstleistungen müssen die sogenannten Steuern bezahlen.
Die staatliche Kasseneinheit ist eng verbunden mit der Budgethoheit des Parlaments. Das bedeutet, dass der Staat letztlich allein über den Einsatz der eingenommenen Mittel verfügt. Die Staatsverfassung gesteht dem Parlament (aus dem sich übrigens in den meisten Fällen auch die Betriebsleitung der Firma Staat rekrutiert und umgekehrt!) die absolute Souveränität über den Einsatz und die Verteilung der im Tausch mit den „öffentlichen Gütern“ eingenommenen Gelder zu. So bewirkt das Einheitskassenwesen, dass den Staatbürgern die Budgetfreiheit beim Erwerb von kollektiven Gütern gänzlich verwehrt ist.
Die ökonomische Organisationsform „Monopolkonzern“ verlangt zwar nicht zwingend eine Einheitskasse. Gibt es aber eine solche, dann wird es besonders gefährlich für die Monopolnutzer. Ist ein Monopolkonzern an sich schon ein Schreckgespenst für freiheitsbegabte Menschen, so können sie von einem Monopolkonzern mit Einheitskasse zu jämmerlichen Konsumkretins heruntergedrückt werden. Güter von einem Konzern mit Einheitskasse beziehen zu müssen, wobei die Budgethoheit beim Konzern selbst liegt, widerspricht nicht nur dem Recht auf freie Eigentumsnutzung (s. der Verf., 2021 a), sondern ist auch im höchsten Maße menschenunwürdig.Die Wirtschaftssubjekte müssen hinnehmen, dass ihr sauer verdientes Geld dubiosen Finanztransfers geopfert wird.
Der Staatskonzern unterscheidet sich von allen anderen erheblich dadurch, dass er „die Pistole in der Hand“ hat. So können dessen Leistungsabnehmer über die ihm zufließenden Gelder nicht den geringsten Verwendungsvorbehalt geltend machen. Sie können zur Abnahme und zur Abgeltung vieler Leistungen gezwungen werden, auch dann, wenn sie die gar nicht nutzen wollen oder nutzen können. Sie müssen Schwimmbäder und Saunen mit unterhalten, die sie nicht brauchen. Sie müssen Theateraufführungen mitbezahlen, die sie nicht billigen. Sie müssen sich an ökonomischen Harakiris beteiligen, die sie als sinnlosen Aktionismus ablehnen. So müssen Altenpflegerinnen oder Straßenbauarbeiter ihren Rücken auch dafür krumm machen, dass eine selbsternannte Kulturelite preisgünstig ihre Museen, Theater und Kunstausstellungen gelangt.
Ein besonders drastisches Beispiel für die staatliche Mittelverwendungswillkür ist der KFZ-Steuerfluss in Deutschland. Hier wird ein Großteil zur Finanzierung verkehrsfremder Leistungsbereiche abgezwackt (33 Milliarden Euro z. B. im Jahr 2016). Die Mittel fehlen dann für den Ausbau und die Instandhaltung der Straßen. Trotz horrender Einnahmen zu Lasten der Straßennutzer (52 Milliarden Euro im Jahr 2016) verrotten die Straßen bzw. werden gar nicht erst gebaut. Die vereinnahmten Mittel werden zur Finanzierung bombastischer Musentempel, für sinnlose Energieprojekte, zur Aufrechterhaltung überholter Verkehrskonzepte und zur großzügigen Alimentierung verrenteter Staatsdiener verwendet. Eine derartige Verfahrensweise stellt eine glatte Veruntreuungvon Geldern dar, die eigentlich treuhänderisch verwaltet werden sollten. Eine Einheitskasse läd zu kriminellen Handlungen geradezu ein.
Ist die Kasseneinheit des Staatskonzerns an sich schon ein Nivellierungs- und Verdunklungsakt, so birgt die Kombination Kasseneinheit–parlamentarische Budgethoheit die Gefahr einer Totalentmündigung des Individuums in seiner Rolle als Tauschpartner der Firma Staat. Bei dem in derzeitigen Gesellschaften üblichen staatlichen Inkassosystem ist Jeder seinem sogenannten „öffentlichen“ Budgetanteil gegenüber völlig machtlos.
Die willkürliche Mittelverwendung des Staates ermöglicht den Subventionismus, d. h. die Umverteilung von Ressourcen nach nichtökonomischen Gesichtspunkten(a. a. O.). Subventionismus ist die wirtschaftliche Seite des Interventionismus (Es gibt auch noch eine rechtliche Seite; s. Aufklärungsprotokolle Bd. 3). Subventionen kann es bei allen Konzernbetrieben geben, die eine Einheitskasse haben. Der Staat ist ein besonders markantes Beispiel dafür. An den Fleischtöpfen seiner Einheitskasse treffen sich die Umverteilungs-Scharlatane mit den subventionshungrigen Lobbyisten. In Deutschland gibt es ca. 6000 Lobbyisten (Wirtschaftswoche 42/2021).
Subventionen sind zwar gutgemeinte obrigkeitliche Eingriffe in das Wirtschaftsleben. Viele Güternutzer des Staates werden dadurch jedoch in die Rolle regelrechter Subventionsknechte hineingedrückt. Ein Teil ihrer Ressourcen wird einer für sie fremdartigen und undurchsichtigen Mittelverwendungsprozedur geopfert.
Subventionen bewirken, dass sich die Staatsbürger – als Abnehmer staatlicher Güter – an der Finanzierung aller nur möglichen Ausgabenbereiche beteiligen müssen, auch an solchen, die ihr eigenes Leben nicht berühren. Sie müssen quasi ein Unisono-Leistungspaket abnehmen, ob sie das wollen oder nicht. So bewirkt die staatliche Einheitskasse eine Haftung aller für alle. Sie erzeugt eine ökonomische Zwangsgemeinschaft mit intergrierter Kollektivhaft. Insofern ist Subventionismus nichts anderes als partieller Kommunismus.
Ökonomische Gebilde in der Art von Subventionsstaaten können fatale Auswirkungen auf die Güternutzung ihrer Tauschpartner haben. Solche Auswirkungen haben zwar alle Konzerne mit Einheitskasse. Sie sind aber bei den Staatskonzernen besonders krass. Staatlicher Subventionismus führt zur Totalverfilzung von Politik, Wirtschaft und Recht.
Subventionen sind künstliche Eingriffe in die natürlichen Prozesse des Marktgeschehens. „Man pflegt die Eingriffe als soziale oder sozialpolitische Maßnahmen zu bezeichnen. Ihrer Wirkung nach müsste man sie anti- oder gar asozial nennen. Sie bauen die Gesellschaft nicht auf, sie nehmen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit den Sinn. Das Ziel der Kooperation ist Behebung von Unzufriedenheit; kein [obrigkeitlicher] Eingriff aber vermag die Erreichung dieses Ziels zu fördern. Er verschlechtert die Bedürfnisbefriedigung entweder für alle oder zumindest für die große Mehrheit“ (Ludwig von Mises, 1980).
Der Staat aber behauptet das Gegenteil. Seine Subventionsaktivitäten förderten das Wohl seiner Bürger. Offenbar verdächtigt er diese, dies ohne ihn nicht zu können. Ohne den Staat würde angeblich nur Chaos, Ungerechtigkeit und Elend erzeugt. Was inzwischen infolge des – inzwischen auch internationalen – Subventionismus geschieht, gibt die Wochenschrift Focus bekannt (2/2021): In der europäischen Gemeinschaft entstehen Milchseen und Tomatenberge in Milliardenhöhe.
Ein Subventionsstaat setzt nicht nur Kasseneinheit voraus, sondern auch eine besondere Art der Mittelbeschaffung. Es wird eine Inkassomethode geben müssen, die es erlaubt, die Mittel so zur Verfügung zu haben, dass sie nicht verwendungsgebunden sind. Einen normalbürgerlichen Rechnungsabgleich darf es nicht geben. Subventionismus kann nur gedeihen, wenn die Gelder, die im Tausch mit den kollektiven Gütern hereinkommen, auf nichtkommerzielle Art in die Taschen der Anbieter gelangen. Auf nichtkommerzielle Art gelangen sie dann auch in die Taschen der Subventionsgünstlinge.
Ein gewisser Zynismus ist diesen nicht abzusprechen. Beispielhaft dafür ist die Staatsoper im Hamburger Hafen – Teil der staatlich geförderten Unterhaltungsindustrie. Sie dient vor allem den Bedürfnissen der sogenannten Kulturelite. – Jeder, der nur so viel von Mathematik versteht, dass er am Taschenrechner mit ihr umgehen kann, kommt schnell zu der Erkenntnis, dass eine Eintrittskarte in dieses Prunkstück, die derzeit ein paar Zehneuroscheine kosten mag, eigentlich tausende von Euro kosten müsste.
Der Normalsterbliche kann sich oft nicht einmal die subventionierte Eintrittskarte leisten, ganz zu schweigen von einer, deren Preis aufgrund sauberer ökonomischer Kalkulation zustande kommen müsste. Aber er gerät in Verzweiflung angesichts der Tatsache, dass er – in seiner Rolle als Steuerverpflichteter – mit seinen Ressourcen zur Teilnahme an diesem ökonomischen Irrsinn gezwungen wird. In einem Subventionsstaat muss er den Genuss der Kunst- und Kulturelite mitfinanzieren, koste es, was es wolle. Mit anderen Worten: Er ist der Sklave eines durch die „Elite“ beanspruchten und befürworteten Kulturbetriebs. Wer sich dem Genuss dieser „Elite“ verweigert, findet sich bald hinter Gittern wieder. Dieses Schicksal ereilt in der Tat nicht wenigen Menschen in Deutschland.
Das ökonomische Gebilde „Konzern mit Einheitskasse“ finden wir auf allen Ebenen der staatlichen Monopolwirtschaft. Schon auf Gemeindeebene ist es existent. Hier tritt er sogar noch deutlicher in Erscheinung als an der Staatsspitze. Die in den Stadtgemeinden überall eingerichteten „Stadtwerke“ sind durchweg kleine Monopolkonzerne. Sie erbringen Leistungen für die unterschiedlichsten Lebensbereiche, die zumeist über eine Einheitskasse abgerechnet werden. Die deutsche Staatsverfassung und die Länder-, Kreis- und Gemeindeverfassungen sind so konzipiert, dass sie für alle Bereiche des kollektiven Güterangebots eine einheitliche Geschäftsführung vorsehen (Bundeskanzler, Ministerpräsident, Bürgermeister, Gemeindedirektor). Eine solche Konstellation finden wir auch in anderen Ländern.
Zu Subventionen kann man stehen wie man will. Unzweifelhaft ist: Sie verzerren das natürliche Marktgeschehen. Ein Subventionsstaat behindert das freie Tauschen. Nach außen hin rechtfertigt er das damit, dass er für so gute Dinge wie Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum, Kultur und karitative Belange sorgen müsse. Er müsse zum Wohle seiner Bürger in alle möglichen Lebensbereiche eingreifen: in die Bildung, in die Forschung, in die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte, in das Kranksein, in das Älterwerden, in die Bauwirtschaft usw. Der staatliche Subventionimus ist eine „Gießkanne, die eine Plantage von vielfältigen Interessen bewässert“ (Robert Nef, 1996; 2005). Zirka die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (BIP) fließt dem deutschen Staat an Einnahmen zu, ein Drittel davon gelangt in die Subventionen. Es wird jeder zweite Einwohner Deutschlands direkt oder indirekt subventioniert (René Zeyer, 2016).
Die Ausgabenexplosion beim deutschen Staat nach 1960 ist im Wesentlichen den horrende gestiegenen Transfer- und Subventionsbeträgen geschuldet (Erich Weede, 2003). Die Summen, die dabei ins Spiel kommen, können sich sehen lassen. Schon vor zwei Jahrzehnten waren die Subventionen in Deutschland jährlich auf sage und schreibe 370 Milliarden angewachsen. Offiziell wurden nur 116 Milliarden ausgewiesen, eine immer noch unvorstellbar hohe Zahl (ARD-Sendung „Die Verschwendung der Nation“ vom 17.6.1998). Die Zahl wird heute eher größer als kleiner geworden sein.
Über so ungeheuerliche Beträge wird nicht öffentlich, sondern hinter verschlossenen Türen verhandelt, in Räumen, deren Betreten selbst honorigen Journalisten verwehrt ist. Die Studie eines angesehenen wissenschaftlichen Instituts, die der zitierten Sendung zugrunde lag und die diese Fakten aufdeckt, ist übrigens allen Parlamentariern des damaligen Deutschen Bundestags zur Kenntnisnahme angeboten worden. Nur ein einziger (von damals 672!) hat sie geordert.
Inzwischen hat sich der staatliche Subventionismus zu ungeahnter Vielfalt entwickelt. Die öffentlichen Finanzströme fließen in nicht nachvollziehbarer Weise durcheinander. Man denke nur an den im Euroraum gepflegten Widersinn, mit den eingenommenen Mitteln sowohl die Tabakbauern als auch die Antiraucherverbände zu sponsern.
Die deutschen Nachrichtenmagazine FOCUS (17/1994) und SPIEGEL (50/1995) schilderten schon vor Jahren detailliert, wo und wie das Staatsgeld vergeudet wird. Das hat sich bis heute nicht geändert. Im Gegenteil: alles ist noch schlimmer geworden. Der sogenannte „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ beispielsweise hatte bis Ende 2020 in die Deutsche Lufthansa bereits 5850 Millionen Euro an Subventionsgeld hineingesteckt (Wirtschaftswoche 51/2020). Das Geld soll zwar zurückkommen, ist aber erst mal weg. Die Subventionen für die Landwirtschaft sind größer als deren Wertschöpfung – nicht nur in Deutschland.
Vielen Bürgern beschert der Staat mit Hilfe von Subventionen eine Art „gratis lunch“ (Robert Nef, 2005). Aber nicht nur das. Neuerdings will die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Scharfenberg das staatliche Schenken soweit ausweiten, dass Schwerbehinderte kostenlos Rezepte erhalten sollen, die sie für Sex mit Prostituierten einlösen können. Mit dieser Idee kommt sie allerdings reichlich spät. Denn in Wiesbaden konnten schon 1995 Behinderte bei ihrem Pflegedienst Sex-Partner bestellen (SPIEGEL, 47/1995). Manche mögen das empörend empfinden. Aber vom Wesen her ist keine Subventionsart nur einen Deut besser oder schlechter als eine andere.
Die Devise des staatlichen Subventionismus lautet: „Glück für alle“. Hier muss eine geradezu himmlische Vorstellung von Menschheitsbeglückung zugrunde liegen. Anders sind die Aktivitäten der Subventionisten und ihr Ausmaß nicht zu begreifen. Das Glück regnet gewissermaßen von oben herab, als würde Manna vom Himmel fallen.
Das Ausmaß der Subventionen ist mittlerweile so groß, dass z. B. in Deutschland das gesamte Lohnsteueraufkommen dafür aufgewendet werden muss. Würde man alle Subventionen streichen, müsste kein Deutscher mehr Einkommenssteuern bezahlen – auch eine Erkenntnis aus der oben zitierten ARD-Sendung.
Ist der von der staatlichen Obrigkeit eingeschlagene Weg hin zum „Glück für alle“ einmal von der Mehrheit der Gesellschaft akzeptiert, kann sich das Rad des Subventionismus hemmungslos drehen. Man kann sogar ein Riesenrad daraus machen. Schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es in Deutschland 153 Umverteilungsarten, die von 37 Behörden verwaltet wurden (Fritz Fliszar, 1997). Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese Zahlen seither nicht kleiner geworden sind.
Im Subventionsstaat handeln diejenigen völlig irrational, die fleißig im Hamsterrad der leistungsteiligen Tauschgesellschaft mittreten. Rational hingegen handeln jene, die darauf aus sind, möglichst viel vom Umverteilungskuchen einzuheimsen, den der (irrationale!) Fleiß braver Bürger gebacken hat. Subventionen im Güteranbieterbereich bewirken auch, dass nicht gerade die qualifiziertesten Leute die Produktion von Gütern betreiben, sondern jene, die sich die Subventionsmittel am erfolgreichsten beschaffen können. Das beobachtete Hermann Heinrich Gossen schon im Jahre 1854.
Die durch die Subventionen offensichtlich widernatürliche Verkehrung von rationalem und irrationalem Verhalten kommt dadurch zustande, dass infolge absurder Gesetzgebung die Handlungsanreize so und nicht anders gesetzt sind. Erich Weede spricht von einer umfassenden „Anreizverzerrung“ in unserer Gesellschaft (2012).
Subventionen können so weitgreifend sein, dass sie die Güter, die dadurch an die Begünstigten gelangen, wie Geschenke erscheinen lassen. Nun will aber das Schenken nicht so recht in die Abläufe einer leistungsteiligen Tauschgesellschaft passen. Beim staatlichen Schenken spielen offenbar anders gerichtete Motive mit. Dass dies nicht nur philanthropische Motive sind, darauf komme ich andernorts zurück (s. der Verf., 2021 b). In jedem Fall sind Subventionen verzerrende Eingriffe in die natürlichen Abläufe des Wirtschaftslebens. Sie stehen in einem krassen Widerspruch zu den Usancen einer menschenrechtsgemäß wirtschaftenden Gesellschaft.
Es ist eine alte Weisheit, dass „in jeder Wirtschaftsordnung, in der durch besondere Förderung mehr volkswirtschaftliches Kapital in einzelne Erwerbszweige gelenkt werden soll, als von selbst dorthin fließen würde, oder durch außerordentliche Beschränkung Teile des Kapitals von Branchen ferngehalten werden, in denen sie sonst investiert worden wären, in Wirklichkeit das Hauptziel unterlaufen (wird), das man zu fördern vermeint. Sie verzögert Entwicklung und Fortschritt der Gesellschaft zu Wohlstand und Größe, anstatt ihn zu beschleunigen, und sie verringert den wirklichen Wert des Jahresprodukts aus Boden und Arbeit, statt ihn zu vergrößern.“ (Adam Smith, Nachdruck 1990).
Die ökonomische Verzerrung, die durch die staatliche Art der Güterversorgung stattfindet, stellt einen massiven Verstoß gegen Menschenrecht und Freiheit dar. Aber nicht nur das! Sie ist auch in höchstem Grade unwürdig. Wie geistesfern und vernagelt oder wie verschlagen und kaltschnäuzig muss man sein, um weltweit das Menschenrecht einzufordern und es vor der eigenen Haustür so grob zu missachten?
Die anfangs noch lautstarke Empörung der Medien und Verbände über das staatliche Subventionsunwesen und den dadurch bedingten (über den normalen Bedarf des Staatsbetriebs hinausgehenden) öffentlichen Mittelaufwand hat sich im Laufe der Zeit in ein gemütliches Ritual verwandelt. In regelmäßiger Abfolge hören wir die mahnenden Stimmen. Die Wirkung solcher Verbalattacken ist jedoch nirgends wahrzunehmen – als hätte eine Empörung gar nicht erst stattgefunden. Unter den eloquenten Empörern herrscht offenbar Einigkeit: Für das Übel sind inkompetente politische Funktionsträger verantwortlich. Man kann sie ja bei nächster Gelegenheit auswechseln. Danach wird alles besser. – Das System selbst jedoch, in dem so etwas wie Subvention möglich ist, wird von den „Sozialkritikern“ nicht infrage gestellt.
Es gibt natürlich auch im privaten Bereich so etwas wie „Subvention“. Dabei besteht aber ein erheblicher Unterschied zum Staats-Subventionismus. Bei einer Gartenkolonie beispielsweise, in der ein gemeinsamer Weg in Eigenarbeit angelegt werden soll, wird es immer Leistungen geben, die einige für die anderen miterbringen und für die sie keine adäquate Gegenleistung erhalten. Solche Leistungen werden als freie Hingabe und auf der Basis der Nachbarschaftshilfe in die Gemeinschaft eingebracht.
Zitierte Literatur:
Eckardt, Dietrich, Das Recht und seine Verfälschung, Berlin 2021a
Eckardt, Dietrich, Die Bürgergesellschaft – Ein Gegenwurf zur Staatsgesellschaft, Berlin 2021b
Fliszar, Fritz, Bürger oder Untertan – Tertium non datur in: Georgios Chatzimarkakis und Holger Hinte, Freiheit und Gemeinsinn, Bonn 1997
Mises, Ludwig von, Nationalökonomie – Theorie des Handelns und Wirtschaftens, Nachdruck München 1980
Nef, Robert, Der Wohlfahrtsstaat zerstört die Wohlfahrt und den Staat, Zürich 2005
Röpke, Wilhelm, Die Lehre von der Wirtschaft, Neuauflage Zürich 1958
Smith, Adam, Der Wohlstand der Nationen, München 1990
Weede, Erich, Mensch, Markt und Staat, Stuttgart 2003
Weede, Erich, Freiheit und Verantwortung – Aufstieg und Niedergang, Tübingen 2012
Zeyer, René, Die Kinder der Aufklärung; in: Günther,Christian/Reichel, Werner (Hrsg.), Infantilismus, o. O. 2016