Dietrich Eckardt (Email: diteck@t-online.de; www. dietrich-eckardt.com)
Der Ort des Wirtschaftens ist der Markt. Der Markt ist kein Ort im räumlichen Sinne. Der Wirtschaftsphilosoph Ludwig von Mises (1980) betont zurecht, dass es sich hier um einen „Prozess“ handelt. Dieser Prozess ist in ständiger Bewegung und bringt die Individuen ständig neu zusammen. Der Markt ist „auf Arbeitsteilung und Austauschgegründet“ (Wilhelm Röpke, 1958).
Der augenfälligste Vorgang am Markt ist der Tausch. Er ist allgegenwärtig. Beim Tauschen treten die Individuen heraus aus der Vereinzelung. Sie vergesellschaften sich. Das Tauschen ist jenes Geschehen, bei dem wir meistens miteinander zu tun haben. Es bewirkt, dass das Ich in Kontakt mit den Anderen kommt, vor allem mit Leuten außerhalb seines engsten Lebenskreises.
Der Tausch erfolgt sowohl zwischen Individuen, als auch zwischen Gruppen von Individuen. Das sind die Tauschsubjekte, die mit den Tausch-objekten (den Tauschgütern)handeln. Beim Tausch bildet das Ich den wohl wichtigsten Teil seiner Beziehungen zum Du aus. Der Impuls zum Tausch ist die Zentripetalkraft, die die ansonsten eher zentrifugalen (individualistischen) Kräfte menschlicher Gesellschaftlichkeit zusammenhält.
Die Menschen leben schon seit geraumer Zeit nicht nur von der individuellen Güterherstellung, sondern vor allem vom überindividuellen Gütertausch. Sie erlangen ihre Güter entweder durch Arbeit, oder als Geschenk (aufgrund einer Eltern-Kind-Beziehung, einer Freundschaft oder einer Erbschaft), oder durch Privilegien, Erpressung und Raub – oder eben durch Tausch.
Freunde sind nicht immer zur Hand. Elternschaft verliert sich eines Tages. Privilegien, Erpressung und Raub schaffen böses Blut. Der Mensch wird in den meisten Fällen seine Bedürfnisse nur befriedigen können, wenn er für ein beanspruchtes Fremdgut ein Eigengut als Gegenleistung zur Verfügung stellt – im Zuge eines Tauschaktes. Ist bei diesem Akt das Tauschgut Geld beteiligt, reden wir von Kauf bzw.von Verkauf. Auch Arbeit fungiert als Tauschgut, kann also gekauft und verkauft werden.
Schon die bloße Bewerbung um einen Arbeitsplatz zielt auf ein Tauschgeschäft: Das Wirtschaftsgut Arbeit gegen das Wirtschaftsgut Lohn. Eben-so zielt die Anrufung eines Gerichts auf einen Tausch: Rechtstitel gegen Gebühr bzw. Honorar. Oder es wird die Hilfsleistung eines Bildungsinstituts ertauscht: Persönlichkeitsbildung gegen Gehalt. In allen diesen Fällen wechseln Individuen Güter gegen Güter gegeneinander aus.
Der Gütertausch macht einen wesentlichen Teil des Umgangs der Menschen miteinander aus, insbesondere auch des Umgangs im engsten Lebenskreis. Viele machen sich nicht klar, dass sie auch im Privaten in ein eng geknüpftes Netz von (expliziten und impliziten) Tauschbeziehungen verwoben sind. Freundschaften oder karitative Akte, in denen das reine Verschenkenvon Güterngepflegt wird, also das Erbringen einer Leistung ohne Gegenleistung, sind eher selten anzutreffen.
Beim Tausch muss jedes Gut einerseits herausgegeben, andererseits angenommen werden. Jeder Besitzwechsel ist ein Geben und Nehmen. Der Tausch (Kauf) ist ein Akt mit zwei gegenläufigen Gütertransfers, also ein doppeltes Geben und Nehmen. Man spricht daher auch von der „Bilateralität“ des Tausches. Die Bilateralität ermöglicht, dass bei den gegenläufigen Transfers Symmetrie vorwaltet, im Unterschied zum Schenken, wo diese Symmetrie fehlt.
Der Tausch – als gegenseitige Güterübertragung und als gegenseitiger Schuldausgleich der Tauschpartner – ist ein zweiseitiges Bezahlen. Er ist ein binäres Zahlungsereignis. Jeder Tauschpartner opfert ein ihm gehörendes Gut oder einen Teil davon. Bei aller Begehrlichkeit für den Besitz des Gutes eines Anderen, erst diese Opferbereitschaft ermöglicht den Tausch. Mein Tauschpartner signalisiert mir nämlich klar und deutlich: „Ich will dir nichts schenken. Wenn du dieses mein Gut haben willst, dann kostet das etwas.“ Und ich – als sein Gegenüber – habe kein Problem damit. Ich bin bereit, Güter von mir zum Erwerb von dessen Gütern herzugeben, mit anderen Worten: dafür zu bezahlen. Nicht nur Geld, sondern jedes in den Tausch gelangende Gut hat Zahlungsfunktion. Manchmal ist diese Funktion bei Sachgütern sogar wichtiger und effektiver als beim Geld. Man denke nur an den Goldschmuck und die Zigaretten nach dem letzten Weltkrieg oder an den Whisky zur Zeit der Prohibition.
Dass jeder Tausch Schuldverhältnisse beinhaltet, ist den Tauschpartnern oft nicht bewusst. Muss es auch nicht, weil das doppelte Schuldverhältnis normalerweise sofort mit einem kompletten Vollzug des Tausches wieder beendet wird. Die gegenseitigen Schulden der Tauschpartner erscheinen bei zügigem Vollzug des Tausches als sofort getilgt. Aber nicht immer vollzieht sich ein Sachgütertausch zügig. Es gibt am Markt Vorkommnisse, bei denen die Bilateralität des Tausches aufgebrochen ist. Ein Tauschpartner liefert, sein Gegenüber liefert nicht oder nur unvollständig oder erst später. Der Tausch bleibt als bilateraler Sachgütertausch unvollendet. Die Menschen haben nun eine Methode entwickelt, auch in solchen Fällen Handel treiben zu können. Sie handelt dann mit Versprechen. Diese Versprechen nennen sie Geld (Dietrich Eckardt, 2021).
Tauschobjekte müssen marktgängig sein, d. h. sie müssen zum Bedarf der Güterabnehmer passen. Das verlangt den Tauschsubjekten – in ihrer Rolle als Güteranbieter – ein beträchtliches Adaptionsvermögen ab. Der Markt ist der Ort von Angebot und Nachfrage. Dabei ist es die Nachfrage, die das Angebot steuert. Das Marktangebot entwickelt sich zwar aus dem Eigeninteresse eines Ich heraus: Optimierung der individuellen Lebensentfaltung. Aber wenn jemand um des Eigeninteresses willen sein Angebot unter die Leute bringen will, muss er zuerst deren Interesse berücksichtigen. Sonst kommt es nicht zum Tausch. Der Güteranbieter muss den Güterabnehmer in seinen ökonomischen Kalkül einbeziehen, und zwar als dessen Hauptfaktor.
Es ist mannigfach erwiesen, dass dem Eigennutz des Anbieters am meisten gedient ist, wenn dieser sich dem Eigennutz des Abnehmers unterwirft. Es wird jemand, der auf eigene Wohlfahrt aus ist (im Sinne einer größtmöglichen Lebensentfaltung seiner selbst), in erster Linie die Wohlfahrt der anderen, der Abnehmer seiner Güter, im Blick haben müssen. Eine dauerhafte Wohlfahrt des Ego ist nur über die Wohlfahrt des Alter-Ego (des anderen Ich) zu erlangen. Eine auf dem ökonomischen Egoismus (also auf das angeblich „Böse“) errichtete Gesellschaft ist stets auch altruistisch. Sie ist insofern auch die „beste soziale Einrichtung“ (Erich Weede 2003). Denn das Synonym für eine sachgerechte Bedürfnisbefriedigung der Anderen ist „sozial“ (Michael von Prollius, 2017).
In einer gut entwickelten leistungsteiligen Tauschgesellschaft entspricht das Einkommen „genau dem Verdienste…, welche der Mensch sich um Erhöhung des Lebensgenusses seiner Nebenmenschen erworben hat“ (Hermann Heinrich Gossen, 1854). Sie entlohnt jeden „nach dem Grad der getätigten Knappheitsverringerung“ und behandelt ihn „nach dem Beitrag, den er zu dem Wohlergehen seiner Mitmenschen leistet“ (Roland Baader, 2002). Sie fördert den am meisten, der den anderen das verschafft, was sie haben wollen. Die optimale Entfaltung des Anbieter-Ego gelingt nur unter Berücksichtigung des Abnehmer-Ego.
Außerdem: Die Aufgabe des Gewinns ist vor allem auch, überlegene Qualität und Neuerungen anzuregen. Viele Marktteilnehmer sollen dadurch für einen Tausch bzw. Kauf gewonnen werden. Das Wort „Gewinn“ ist insofern gleichbedeutend mit Kundengewinn. Die Kunden sind die „Follower“ eines Anbieters. Bietet er Gutes an, hat er viele „Follower“.
Bei allen Tauschpartnern, die am Markt Erfolg haben wollen, muss sich der Egoismus an den Altruismus binden. An einem nicht manipulierten Markt ist Egoismus prinzipiell und zu allererst Altruismus (Bernard de Mandeville, Adam Smith). Der Markt zwingt dem Ego das Alter-Ego geradezu auf. Damit kann er zwar die Moral nicht ersetzen oder „herbeizaubern“, wie Hermann Heinrich Gossen noch meinte, aber er biegt das Ego in Richtung Alter-Ego und bereitet damit vielleicht so etwas wie Moral vor. Die für das Bestehen am Markt erforderliche Integration des Alter-Ego in das Ego ist kein ethisch motivierter Akt, sondern ein Akt, der einem naturwüchsigen Imperativ folgt: Beachte das Du als Bedürfnisträger. Das ist der wichtigste Imperativ des Marktes. In der Ökonomie geht es um das Du als leibliches, habituelles. Als solches hat es Bedürfnisse.
Innerhalb einer freien Tauschgesellschaft ist der Eigennutz bereits aus sich selbst heraus, also als Eigennutz,altruistisch – jenseits aller Scheidung von Moral und Unmoral (Friedrich August von Hayek, 1980). Dort funktioniert die eigene Nutzenmaximierung nur über die Nutzenmaximierung der Anderen. Mein Nutzen mehrt sich aufgrund der Lieferung eines bedarfsgerechten bzw. marktgängigen Gutes, also eines Gutes, das einen Bezug zum Interesse der anderen Menschen hat. Das erfordert aufmerksames Beobachten, viele Lernprozesse und setzt ein gutes Gespür für die Nöte und Vorlieben der Anderen voraus.
Der Tauschgutanbieter wird nicht von irgendjemandem zum Altruismus gezwungen. Wenn er (als Egoist) am Markt Erfolg haben will, muss er sich selbst dazu zwingen. Erst die dezidiert altruistische, auf das andere Ich ausgerichtete Einstellung ermöglicht das Überleben des Ich am Markt bzw. dessen optimales Wachstum. Wer das nicht begreift, fällt über kurz oder lang aus dem Markt heraus bzw. wächst gar nicht erst in ihn hinein.
Man kann die Egoismus-Altruismus-Problematik oberflächlich oder tiefgründig angehen. Wer da meint, die freie Marktwirtschaft ist nichts weiter als eine Ellenbogengesellschaft, stets darauf aus, „die Schwachen zu unterdrücken“, der hat das Prinzip des marktgerechten Handelns im Zeitalter der Arbeitsteilung nicht begriffen: Altruismus steht vor Egoismus. Geben kommt vor Nehmen. Der in der Marktwirtschaft „Schwache“ ist oft derjenige, der diese Rangordnung nicht begreift. In ähnlicher Schonungslosigkeit, wie sich der Charakter eines Mitglieds einer Wohngemeinschaft offenbaren kann, tut das der Markt hinsichtlich der Brauchbarkeit eines Individuums für die anderen.
Aber mehr noch: Das Abnehmerinteresse ist auch der rocher de bronze, an dem bisher noch jede Regelungswut zerschellt ist, die von außen her die Märkte zu gängeln versuchte. Auch die „ordnende Ratio“ (Walter Eucken, 1990) einer als liberal beabsichtigten Regulierung des Marktes konnte und kann daran nichts ändern. Der Markt ist vom Prinzip her derart anarchisch, dass er jede „ordnende Ratio“ unterläuft. Je einflussreicher die „ordnende Ratio“, desto blühender der sog. graue oder schwarze Markt. Solche Märkte bilden sich immer bei unterdrücktem Abnehmerinteresse.
Jeder Güteranbieter muss dem Abnehmer seiner Güter (Nutzer, Verbraucher, Kunde) die größte Aufmerksamkeit schenken. Er muss regelrecht auf Entdeckungsfahrt gehen, um sein Güterangebot abnehmergerecht, d. h. marktgängig zu machen. Oder er bringt seine Informations- und Werbestrategien so pfiffig ins Spiel, dass ein Abnehmerinteresse daraus entsteht. Aber auch für den Aufbau derartiger Strategie muss er zuerst Vieles über die Abnehmer wissen.
Nur die Bereitschaft zu ständigem Lernen sichert das Bestehen am Markt. Denn der Markt ist ein nicht zu unterschätzendes „Forum der Fehlerkorrektur“, „ein gnadenloser Enthüller persönlicher Stärken und Schwächen“ (Roland Baader, 1997). „Für das Bestehen oder Nichtbestehen des Markttests gibt es keine Ausrede“ (ders., 2007).
Aus dem Abnehmerinteresse bezieht der Markt sein Regulativ. Um die Marktteilnehmer in ihrer Rolle als Güterabnehmerherumspielt sich das gesamte Marktgeschehen ab. Das ist der Sinn der Rede vom „König-Kunden“. Es ist schon oft darüber gerätselt worden, wie die „unsichtbare Hand des Marktes“ (Adam Smith) das Zusammentreffen unzähliger und unterschiedlicher, häufig sogar gegensätzlicher Bestrebungen zu ordnen vermag. Die „unsichtbare Hand“ ist nichts anderes als das Abnehmerinteresse. Dieses lenkt das Geschehen. Eine am „König Kunden“ orientierte Marktgemeinschaft haben die Menschen immer dann, wenn ihnen nichts anderes aufgezwungen wird.
Aus all dem folgt: In einer freien Marktwirtschaft ist das eigene Wohlergehen nur über das Wohlergehen der Anderen zu erlangen. Wer in einer Gesellschaft reich ist, hat entweder von einem Wohltäter geerbt oder er hat für den Wohlstand der anderen gesorgt. Weil sie seine Produkte beim Kauf bevorzugen, machen sie ihn reich. In einer freien Wirtschaftsgemeinschaft werden nur diejenigen reich, die das Alter-Ego am besten in ihr Ego einbinden können, die das altruistische Verhalten verinnerlicht haben. Sicher spielt auch der Glücksfaktor eine Rolle, aber nur dort, wo es darum geht, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Mit anderen Worten: eine Lebenssituation vorzufinden, in der man die richtigen Antworten auf jene Fragen parat hat, die das fremde und das eigene Schicksal einem stellt.
Selbst wenn das Individuum nur sein pures Eigeninteresse im Auge hat, dieses Interesse ist dennoch das Fundament für das gesellschaftliche Gesamtinteresse, nämlich die Erlangung des allgemeinen Wohlstands. Wenn jeder nur um seiner selbst willen auf die beste Art da ist, sagte Adalbert Stifter einmal, so ist er es auch für die gesamte Gesellschaft. Krass gesprochen: Schon wenn der Einzelne nur seiner Gewinnsucht folgt, handelt er sozial – meistens ohne es ausdrücklich zu wollen (Ludwig von Mises, 1980; Ludwig Erhard, 2009; Erich Weede, 2003). Diese Wahrheit ist spätestens seit Bernard Mandeville bekannt, auf den sich später andere berufen, auch Adam Smith, der Hauptverfechter dieser Wahrheit.
Die Kultur des nicht manipulierten Marktes ist keine gekünstelte, sondern eine sublime, natürlich gewachsene Praxis-Kultur: sowohl bei der Herstellung von Gütern, als auch im Umgang mit Anderen beim Gütertausch. Sie verlangt die Integration des Alter-Ego in das Trachten und Tun des Ego. Das heißt, sie verlangt den intelligenten, nämlich altruistisch ausgerichteten Egoismus.
Die Kultur und Kunstfertigkeit des auf dem Markt füreinander erbrachten Leistens charakterisiert den Charakter einer entwickelten Leistungsgesellschaft im Kern. Der Entwicklungsstand und das Bildungsniveau einer solchen Gesellschaft offenbaren sich am ehesten im Stil der Vorgänge am Markt und nicht in der Art, in der wortschwallige Feuilletonisten um Aufmerksamkeit für ihre Geistesblitze buhlen.
Die marktinterne Egoismus-Altruismus-Problematik führt auf einen Sachverhalt, dessen Kenntnis heute fast verloren gegangen ist: sowohl die Beschenkten (z. B. Erben) als auch die Nichtbeschenkten werden in einer Leistungs-Gegenleistungs-Gesellschaft nur reich, wenn sie von Anderen reich gemacht werden. Und es bleiben die arm, die keiner reich macht. Die Neider des Reichtums sollten öfter daran erinnert werden, dass es immer die Güterabnehmer (Konsumenten) sind, die ein zunächst armes Individuum reich machen.
Den immensen Reichtum eines Bill Gates haben wir, die Käufer seiner Produkte, geschaffen, niemand sonst, schon gar nicht Gates selbst. Er und seine Crew hätten noch Jahrzehnte in ihrer Garage weitergebastelt, wenn wir nicht eines Tages in deren Bastelei einen Vorteil für uns entdeckt hätten. Und nichts als unser egoistisches Vorteilsstreben hat Gates und seine Freunde reich gemacht. Genauso verhält es sich mit dem reichsten Mann der Welt, Jeff Bezos. Auch für dessen Reichtum tragen gewissermaßen wir die Verantwortung. Er ist entstanden aufgrund einer Unzahl sozialer Ich-Akte(individueller Einkäufe).
Ganz gleich, wie gut oder böse die sogenannten „Kapitalisten“ sind, sie sind entweder durch ihre Erblasser (also durch Geschenke, wogegen im Prinzip nichts einzuwenden ist) oder durch uns andere reich geworden. Dass sich einige Individuen am Markt schamlos selbst bereichern, ist eine der dümmsten Verschwörungstheorien, die je in die Welt gesetzt wurden. Selbst für den Kanonenbauer Krupp trifft das nicht zu. Seine Produkte wurden ihm – nicht nur in Deutschland – geradezu aus den Händen gerissen. Auch der kaltschnäuzigste Finanzhai ist durch seine (naiv-gutgläubige) Kundschaft reich geworden. Er hat das Glück gehabt, dass sein Angebot entdeckt wurde, auch dann, wenn wir durch massiv-rohe Werbung auf es aufmerksam geworden sind.
Ein Autor, dessen Name mir leider verloren gegangen ist, schreibt treffend: „Es ist sicher kein Zufall, dass unter den reichsten Menschen in Deutschland einige sind, die in ihren Unternehmungen dafür sorgen, dass unsere Hausfrauen, also viele Millionen Menschen, preiswert einkaufen können!“ Gedacht war hier offenbar an die Gebrüder Albrecht, die Begründer des ALDI-Imperiums. Sie zählten über Jahre hinweg zu den reichsten, aber auch zu den emsigsten und arbeitsamsten Menschen Deutschlands (was einem der beiden dann zum Verhängnis wurde, der – als er um 23.oo Uhr abends aus seinem Büro kam – gekidnappt wurde).
Als Henry Ford I. die erste große Autoserie, den „amerikanischen Volkswagen“ baute, konnte er einen immensen Reichtum anhäufen. Als die Amerikaner robustere Autos verlangten und Ford sich von der fixen Idee, der geborene Volksauto-Lieferant zu sein, nicht befreien konnte, machten andere das Geschäft. Die anpassungsfähigeren Diener des „König-Kunden“ hatten gesiegt. Er selbst musste große Verluste hinnehmen. Typisch für den starrsinnigen und marktblinden Zynismus Fords ist das ihm zugeschriebene Bonmot: „Sie können das Modell T [amerikanischer Volkswagen] in der Farbe Ihrer Wahl haben, solange diese schwarz ist.“
Zitierte Literatur:
Baader, Roland, Fauler Zauber, Gräfelfing 1997
Baader, Roland, Geld, Gott und Gottspieler, Gräfelfing 2005
Eckardt, Dietrich, Der Markt und seine Verzerrung, Berlin 2021
Erhard, Ludwig, Wohlstand für alle, Köln 2009
Gossen, Hermann Heinrich, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und den daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln, Braunschweig 1854
Mises, Ludwig von, Nationalökonomie – Theorie des Handelns und Wirtschaftens, Nachdruck München 1980
Prollius, Michael von, Freiheitsliebe – Ein Querdenker-ABC, Fürstenberg 2017
Röpke, Wilhelm, Die Lehre von der Wirtschaft, Neuauflage Zürich 1958
Weede, Erich, Mensch, Markt und Staat, Stuttgart 2003